Dumpfbacken
entscheiden. Tagsüber musste ich businessmäßig aussehen, aber was war mit den Abenden? Das Hotel, in dem wir untergebracht waren, hatte immerhin vier Sterne, da brauchte ich entsprechende Klamotten. Und die passenden Schuhe dazu. Der Koffer war schnell voll, also holte ich noch eine riesige Reisetasche und stopfte auch die voll. So, damit wäre ich zumindest auf der sicheren Seite. Ich schleppte erst den Koffer in das Auto und ging dann noch mal hoch, um auch die Reisetasche zu holen. Somit war der Corsa voll. Mit dem ganzen Kram im Auto fuhr ich zu Nicks Wohnung, um endlich mal zu relaxen. Kaum lag ich auf dem Sofa, klingelte es an der Tür. Misstrauisch sah ich durch den Spion, doch zum Glück stand nur Jersey auf der Matte.
»Hey, komm rein. Ich habe eben Koffer geschleppt, bin völlig fertig.«
»Koffer? Willst du verreisen?«, fragte Jersey.
»So was in der Art«, antwortete ich und erzählte ihr von der Fortbildung. »Und du? Hast du schon mit deiner ehemaligen Kollegin gesprochen?«
»Ja, und ich habe gute Nachrichten für dich.«
Hoffnungsvoll sah ich sie an. »Er ist bereit, dich morgen Nachmittag bei sich zu Hause zu treffen und dann die Sache aus der Welt zu schaffen.«
Glücklich strahlte ich Jersey an. »Oh mein Gott, du bist die Beste. Ich bin so erleichtert, dass dieser Albtraum endlich aufhört, das kannst du dir nicht vorstellen. Und du kommst wirklich mit?«
»Klar, kein Problem. Ich habe mir die Strecke schon mal angeguckt, wenn wir hier um kurz vor drei losfahren, sind wir rechtzeitig da. Dann klärt ihr beide das, wir fahren wieder zurück, und am Sonntag fährst du dann zu deiner Schulung.«
Das hörte sich ja alles so gut an. Ich hatte Hollerbeck wohl doch falsch eingeschätzt, vielleicht hatte er nur eine aufbrausende Art. Das erste Mal seit Langem schlief ich richtig gut und war am nächsten Tag sogar relativ ruhig. Ich hatte mir outfitmäßig die Kindergärtnerin zum Vorbild genommen, ich wollte auf alle Fälle harmlos und nett rüberkommen. Also trug ich eine nicht zu enge Jeans und dazu eine weiße Bluse. Einen Haarreif hatte ich nicht, aber mit einem lockeren Pferdeschwanz sah ich wirklich lieb und friedfertig aus.
Wir stiegen in den vollgepackten Corsa und fuhren los. Jersey war während der ganzen Fahrt ziemlich still und sagte nur, dass sie Kopfschmerzen hätte. Mann, jetzt kriegte ich bald ein schlechtes Gewissen. Nicht nur, dass sie mit mir an einem Samstag raus in die Pampa fuhr, nun tat sie das auch noch mit Schmerzen. Ich hoffte, mein Gespräch mit Hollerbeck würde nicht zu lange dauern.
Das Geisterhaus war überhaupt nicht wiederzuerkennen. Gleich am Ende der Einfahrt war ein großes Tor aufgebaut worden, dessen Flügel aber offen standen. Das Haus selbst hatte ein neues Dach, neue Fenster und sogar eine neue Haustür. Es sah richtig gut aus. Wäre eine tolle Sache für diese Vorher-Nachher-Fotos gewesen.
Jersey stieg mit mir aus, und wir klingelten an der Tür. Geöffnet wurde sie nicht von Hollerbeck, sondern von einem Schrank von Typ, der mir sofort bekannt vorkam. Oh Mist, das war dieser Ebi, der Mimi und mich im Stall überrascht hatte. Hoffentlich erkannte er mich nicht wieder. Er beachtete mich allerdings gar nicht, sondern nickte nur Jersey zu und sagte »Er ist in seinem Arbeitszimmer, zweite Tür rechts« zu ihr.
Inzwischen schlug mein Herz schneller. Auch wenn das Haus von innen total renoviert war, es war irgendwie immer noch gruselig. Und es fühlte sich plötzlich so an, als wäre dieser Besuch hier ein riesengroßer Fehler. Doch ich hatte keine Zeit mehr zum Grübeln, denn Jersey machte schon eine Tür auf und schob mich in Hollerbecks Arbeitszimmer. Und da, hinter einem großen Schreibtisch, saß Hollerbeck selbst. Er guckte mich mit diesen fiesen Augen an und hatte ein schmieriges Grinsen im Gesicht. Egal, da musste ich jetzt durch. Ich drückte meine Schultern durch und wollte gerade »Guten Abend« sagen, als er mir zuvorkam.
»Sieh an, sieh an, welch hoher Besuch. Kennst du Die Kunst des Krieges von Sunzi? Mein Lieblingsbuch.«
Hä? Wie war der denn drauf? Wollte er sich jetzt mit mir über Literatur unterhalten? Das war nicht mein bestes Gebiet, und von einer Kunst des Krieges hatte ich noch nie etwas gehört. Ob das so was wie diese Landser -Heftchen war?
»Äh, nein, tut mir leid, das Buch kenne ich nicht«, gab ich zu.
»Das ist schade für dich, da hättest du eine Menge lernen können. Zum Beispiel, dass man manchmal einfach nur
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