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Dumpfbacken

Dumpfbacken

Titel: Dumpfbacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Klein
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mal was Neues erleben will?«, überlegte ich.
    »Alice, ich kenne deinen Vater seit vierunddreißig Jahren. Jemand wie er hat keine Midlife-Crisis. Du bist schuld an seinem Verhalten und niemand sonst.«
    »Ja, aber ich kann das doch nicht mehr rückgängig machen«, jammerte ich. »Ich wünschte wirklich, das wäre nicht passiert, aber ich kann es einfach nicht mehr ändern.«
    Meine Mutter überlegte. Dann kam ein Lächeln auf ihr Gesicht. »Ich hab es. Es ist doch ganz simpel. Gift braucht Gegengift. Sein Kopf ist durch den Strom durcheinander. Also braucht er einen neuen Schlag auf den Kopf, und er wird wieder der Alte.«
    Böse sah ich sie an. »Das kannst du vergessen. Ich haue ihm ganz bestimmt nichts über den Schädel. Ich fühle mich schon mies genug wegen des Stromschlags.«
    Bevor meine Mutter antworten konnte, kam mein Vater in die Küche. Besser gesagt, er tänzelte. »Alice, soll ich dir mal die neuen Schritte zeigen, die ich gelernt habe?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fing er wieder mit diesem Gehampel an. Dazu rief er immer wieder: »Und drei. Und drei. Und noch mal.« Es war kein schöner Anblick.
    »Toll, Papa«, brachte ich heraus. »Aber sag mal, woher kommt denn dein plötzliches Interesse für Stepptanz? Ich meine, dafür hast du dich doch bisher nie interessiert.«
    Er hörte mit dem Füße-Aneinanderhauen auf und sah mich ratlos an. »Das weiß ich gar nicht. Am Samstag habe ich in der Werbepause der Sportschau ein bisschen durch die Kanäle gezappt, und da hab ich dann dieses Riverdance gesehen. Und in dem Moment wusste ich einfach, dass ich das auch lernen muss. Ich will jetzt weiterüben, wenn du mitmachen willst, komm mit ins Wohnzimmer.«
    Nein, da wollte ich nicht mitmachen. Aber ich hatte ein schrecklich schlechtes Gewissen. Das war nicht mehr mein Vater, was hatte ich bloß getan?
    »Ich weiß jetzt, was du meinst«, sagte ich zu meiner Mutter, als er weg war. »Aber wir müssen uns etwas anderes überlegen. Ich meine, denk doch mal nach, wir können ihm doch nicht einfach eins über den Schädel ziehen. Das würdest du doch nicht wirklich wollen.«
    »Nein«, seufzte sie. »Du hast recht. Aber wir müssen ihm helfen, wieder er selbst zu sein. Und wenn ich ihm ein paar Valium ins Essen brösel?«, fragte sie hoffnungsvoll.
    »Dann wird er weiter Riverdance üben, nur als Zombie«, erwiderte ich. »Mama, ich lass mir was einfallen. Mach dir keine Sorgen, ich krieg das wieder hin«, beschwichtigte ich sie und sah zu, dass ich aus dem Haus kam. Bevor mein Vater mich doch noch zum Mittanzen zwang.
    Ob Sven wüsste, was da zu tun wäre? Immerhin studierte er Psychologie. Aber wenn ich ihm erzählte, dass ich meinem Vater einen Elektroschocker an den Kopf gehauen hatte, würde er mich sicher nicht mehr bitten, mir Hilfe zu suchen. Er würde mich gleich einweisen lassen. Ich versuchte also lieber, meine Schwester zu erreichen, aber da lief nur die Mailbox. Ich hinterließ ihr eine Nachricht, dass sie mich anrufen sollte, und fuhr dann zu Nick. Vielleicht hatte sie eine Idee.
    Kurz bevor ich den Schlüssel in Nicks Schloss steckte, bemerkte ich direkt hinter mir eine Bewegung. Kurz erstarrte ich vor Angst, dann schrie ich so laut, wie ich nur konnte. Nicks anderer Nachbar, ein Frührentner, riss seine Tür auf. Bevor ich mich in seine rettende Wohnung stürzen konnte, hörte ich hinter mir eine Frauenstimme. »Alice, was hast du? Was ist denn los? Was ist mit dir?«
    Zitternd drehte ich mich um. Nicht Hollerbeck war hinter mir hergeschlichen, es war Jersey. Da meine Knie nachgaben, sank ich einfach auf den Boden. Herr Schuster, der Frührentner, kam zu mir geeilt.
    »Was ist passiert? Geht es Ihnen nicht gut? Soll ich einen Krankenwagen rufen?«
    »Nein, nein, es ist alles okay. Es tut mir sehr leid, dass ich Sie erschreckt habe. Es ist alles gut.«
    Zweifelnd sah er mich an, beschloss dann aber, sich lieber aus allem rauszuhalten, und ging zurück in seine Wohnung. Jersey beugte sich über mich.
    »So, jetzt komm erstmal mit zu mir. Du bist ja völlig fertig.«
    Sie schob mich in ihre Küche, wo ich immer noch zitternd auf einen Stuhl sank.
    »Jetzt erzähl mir mal, was mit dir los ist. Du hast gestern Abend schon so einen nervösen Eindruck gemacht. Was hast du denn?«
    Ich fing an zu heulen. Und obwohl ich nicht mal Mimi von all diesen bösen Dingen erzählen wollte, platzte jetzt die ganze Geschichte zum zweiten Mal aus mir raus.
    »Ich habe solche Angst, Jersey«, sagte ich zu ihr und

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