Duncans Lady
ein Auto das andere passieren lassen konnte. Aber bei diesem Nebel gab es noch weniger Hinweise als üblich, wann es Zeit wurde, eine Haltebucht anzusteuern.
Weitere fünf Minuten vergingen, und er begann sich selbst zu verfluchen, weil er ausgerechnet heute Abend mit Mara reden wollte. Er war in diesen Bergen nicht vollkommen fremd. Er hätte wissen müssen, dass der Nebel sich weiter verdichten würde. Doch er hatte es ignoriert, bis es zu spät zum Umkehren war. Ihm blieb nichts anderes übrig als weiterzufahren. Der Wind wurde stetig kräftiger, und die Fensterscheiben klapperten protestierend.
Er schätzte, dass er nur noch wenige Minuten von der Abzweigung zu Maras Cottage entfernt war, als er das Licht sah. Er näherte sich einer besonders bösen Kurve, und wandte für einen winzigen Augenblick den Blick von der Straße ab, um ins Tal hinunter zu schauen. Kurz hinter der nächsten Ausweichstelle flackerte etwas auf. Es war nur wenig mehr als ein Aufblitzen. Es sah aus, als würde ein der Erde entsprungener Stern auf dem vom Nebel verhüllten Berghang aufleuchten. Duncan erhaschte einen kurzen Blick drauf, aber das reichte aus, um ihn neugierig zu machen. Als er die Haltebucht erreichte, fuhr er kurz entschlossen an die Seite und stieg aus dem Auto. Mit der Taschenlampe in der Hand ging er so nah an den Abgrund heran, wie er es wagte.
Zuerst konnte er nur wenig erkennen. Es gab einen schroffen, aber kurzen Abhang, der auf einen breiten Felsvorsprung führte. Hinter diesem Vorsprung begann die Unendlichkeit. Es ging mehrere hundert Meter steil nach unten. Für jeden Unglücklichen, der einen Schritt zu viel machte, bedeutete es den sicheren Tod. Duncan schaltete die Taschenlampe aus und spähte in die Dunkelheit. Jetzt konnte er so gut wie nichts mehr sehen, nur weißen Nebel, der sich mit jeder Windbö verdichtete und wieder auseinander gerissen wurde.
Er war fast schon so weit, zum Wagen zurückzugehen, als er das Licht erneut sah. Es war direkt unter ihm. Etwas Grünes blitzte zitternd einen Moment lang auf und verschwand wieder.
„Was zur Hölle ist das?“
Er war nicht erpicht darauf, näher an den Rand zu treten. Wenn er fiele, könnte er den darunter liegenden Felsvorsprung verfehlen und sein Leben in irgendeinem Vorgarten einer alten Dame in Druidheachd aushauchen, kopfüber in einem Beet mit Mohnblumen und Hasenglöckchen. Doch inzwischen war er mehr als neugierig und wollte unbedingt herausfinden, woher das Licht gekommen war.
Erst einmal zuvor hatte er ein Licht von dieser Farbe gesehen. Es war der Grund, warum Geordie Smith heute noch am Leben war.
Er ließ sich auf die Hände und Knie sinken und kroch vorsichtig an den Rand heran. Er fürchtete, das Licht der Taschenlampe würde mehr schaden als nützen, also ließ er sie ausgeschaltet. Vor ihm fiel der Boden steil ab, und er robbte auf dem Bauch weiter, bis sein Kinn gerade eben über die Kante ragte.
Eine Minute oder noch länger geschah nichts. Dann, gerade als er sich fragte, ob er sich das alles eingebildet haben könnte, sah er ein blasses grünes Licht, das dieselbe Farbe hatte wie Mara Mac-Travishs Augen. Während er wie gebannt zusah, schien sich aus dem diffusen Lichtstrahl die Gestalt eines Menschen herauszubilden.
Das musste das Mondlicht sein. Vielleicht wurde es durch die aufsteigenden Gase uralter Kohleeinlagerungen in den Felsen so merkwürdig verwandelt. Doch gerade als er sich einzureden versuchte, dass das Licht vollkommen natürliche Ursachen hatte, nahm es die Gestalt einer Frau in einem langen wehenden Umhang an. Flehentlich hob sie die Hände.
Als sei er mit schweren Ketten am Boden gefesselt, konnte er sich nicht von der Stelle rühren.
Er hatte später keine Ahnung, wie lange er das Licht angestarrt hatte. Die Zeit schien stillzustehen. Erst als er ein Dröhnen auf der Straße hinter sich hörte, wurde ihm klar, dass er schon länger so liegen musste. Vorsichtig robbte er wieder zurück, frierend und überraschend steif vom langen Liegen auf dem kalten Boden. Schließlich setzte er sich auf. Gerade als er sich umdrehte, kam ein Lastwagen mit blinkenden Scheinwerfern in rasender Geschwindigkeit die Straße herunter geschossen. Der LKW schaffte es kaum um die Kurve, ehe er schlingernd weiterfuhr.
Wenn Duncan auf der Straße gewesen wäre, wo er eigentlich hätte sein sollen, dann hätte er dem Koloss unmöglich ausweichen können. Sein kleiner Sedan wäre kein ernstzunehmendes Hindernis für das tonnenschwere
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