Dune 01: Der Wüstenplanet
einer feudalistischen Handelsgesellschaft, die den meisten Wissenschaften ignorantenhaft den Rücken zukehrt.«
Jessica sagte bitter: »Sägespäne, die auf einem Fluß dahintreiben. Und der hiesige Span ist Herzog Leto, mitsamt seinem Sohn und ...«
»Ah, sei still, Mädchen! Dir war doch von Anfang an klar, welche Last du dir aufbürden würdest.«
»Ich bin eine Bene Gesserit – und ich lebe, um zu dienen«, rezitierte Jessica.
»Richtig«, erwiderte die Ehrwürdige Mutter. »Und alles, was wir uns erhoffen können, ist, daß es möglich sein wird, eine offene Auseinandersetzung zu vermeiden. Daß wir zumindest die wichtigsten Blutlinien retten können.«
Als Jessica spürte, wie sich Tränen in ihren Augen sammelten, preßte sie die Lider zusammen. Beherzt kämpfte sie gegen das innere und äußere Zittern ihres Körpers, gegen ihren stoßweise gehenden Atem und die schweißfeuchten Handflächen an. Schließlich meinte sie: »Ich werde für meine eigenen Fehler zu bezahlen haben.«
»Und mit dir dein Sohn.«
»Ich beschütze ihn, so gut ich das kann.«
»Beschützen!« stieß die alte Frau hervor. »Aber das klingt nach Schwäche! Wenn du ihn zu sehr beschützt, Jessica, wird er niemals in der Lage sein, über sich hinauszuwachsen und irgendein Schicksal zu erfüllen!«
Jessica wandte sich um, warf einen Blick aus dem Fenster und in die heraufziehende Dunkelheit. »Ist es wirklich so schrecklich auf Arrakis?«
»Schlimm genug – aber so schlimm nun auch wieder nicht. Die Missionaria Protectiva ist bereits dort gewesen und hat einiges ein wenig aufgeweicht.« Die Ehrwürdige Mutter stand auf und glättete die Falten ihres Gewandes. »Und nun ruf den Jungen. Ich werde euch bald wieder verlassen müssen.«
»So bald?«
Die Stimme der alten Frau verlor an Schärfe. »Jessica – Mädchen, ich wünschte wirklich an deiner Stelle zu sein und dein Leid mitzutragen. Aber jede von uns muß ihren eigenen Weg gehen.«
»Ich weiß.«
»Du bist mir ebenso lieb wie meine eigenen Töchter, Jessica; aber auch das darf mich nicht an der Ausübung meiner Pflicht hindern.«
»Ich sehe die ... Notwendigkeit ein.«
»Was und warum du es getan hast, Jessica – wir beide wissen es. Aber dennoch: im Angesicht unserer Freundschaft muß ich dir sagen, daß es noch keinen hieb- und stichfesten Beweis dafür gibt, daß dein Sohn der Kwisatz Haderach ist. Du solltest dich nicht zu sehr auf diesen Gedanken versteifen.«
Jessica wischte Tränen aus ihren Augen, und die Bewegung, die sie dabei machte, wirkte ein wenig verärgert. »Ihr behandelt mich wie ein kleines Mädchen, dem man die erste Lektion einbleut.« Und etwas heftiger: »Menschen dürfen sich niemals Tieren unterwerfen.« Ein trockenes Schluchzen schüttelte sie. Leise fügte sie hinzu: »Ich war so einsam.«
»Vielleicht war das auch eine Art Test«, erwiderte die alte Frau. »Menschen sind immer einsam. Aber hole jetzt den Jungen herein. Er hat einen langen, furchterfüllten Tag hinter sich. Aber er hat genügend Zeit gehabt, über das, was ihm heute widerfahren ist, nachzudenken und daraus seine Schlüsse zu ziehen. Du weißt, daß ich ihm noch die Fragen über seine Träume stellen muß.«
Jessica nickte, ging zur Tür des Meditationsraums und öffnete sie. »Paul, komm bitte herein.«
Paul erschien mit einer störrischen Langsamkeit und sah dabei seine Mutter an, als sei sie eine Fremde. Bedächtigkeit lag in seinem Blick, als er der Ehrwürdigen Mutter zunickte. Er tat dies in einer Art, wie es unter Gleichrangigen üblich ist. Jessica schloß die Tür hinter ihm.
»Laß uns noch einmal auf deine Träume zurückkommen, junger Mann«, begann die alte Frau.
»Was wollt Ihr wissen?« fragte Paul.
»Träumst du in jeder Nacht?«
»Die meisten Träume sind es nicht wert, daß man sich ihrer erinnert. Natürlich kann ich mich an jeden Traum erinnern, aber manche sind es halt wert und manche nicht.«
»Und woran erkennst du den Unterschied?«
»Ich weiß es eben.«
Die alte Frau warf Jessica einen raschen Blick zu und sah dann wieder auf Paul. »Und der Traum, den du letzte Nacht hattest? Ist er es wert, daß man sich an ihn erinnert?«
»Ja.« Paul schloß die Augen. »Ich träumte von einer Grotte ... und von Wasser ... und einem Mädchen, das sich dort befand. Es war sehr mager und hatte große Augen. Ihre Augen waren völlig blau, nichts Weißes war in ihnen. Ich sprach mit ihr und erzählte ihr, daß ich auf Caladan die Ehrwürdige Mutter traf.«
Weitere Kostenlose Bücher