Dune 01: Der Wüstenplanet
er zu bedenken.
»Niemand wird sich schuldig machen. Alles, was wir zu tun haben, ist Feyd-Rautha hypnotisch zu behandeln und ihn dazu zu bekommen, mir ein Kind zu machen. Anschließend verschwinden wir von hier.«
»Dieser Onkel«, sagte Fenring. »Ist dir je eine solche Deformation eines Menschen begegnet?«
»Er ist ein ziemlich ungestümer Charakter«, meinte sie, »aber aus dem Neffen könnte man einiges machen.«
»Ich würde mich jedenfalls für einen solchen Onkel bedanken. Aus dem Jungen hätte – unter anderen Umständen und einer anderen Erziehung – wirklich etwas werden können. Ich frage mich, wie er sich unter dem Code der Atreides entwickelt hätte.«
»Es ist traurig«, erwiderte Lady Fenring.
»Ich wünschte, wir hätten sowohl den Atreides-Jungen retten können als auch diesen hier«, fuhr der Graf fort. »Nach dem, was ich über Paul gehört habe, soll er ein vielversprechender Bursche gewesen sein. Das Produkt einer guten Zucht und einer hervorragenden Ausbildung.« Er schüttelte den Kopf. »Aber wir sollten unsere Zeit nicht damit verschwenden, daß wir uns den Kopf über die Aristokratie des Unglücks zerbrechen.«
»Bei den Bene Gesserit gibt es ein altes Sprichwort«, sagte seine Frau.
»Gibt es eigentlich Situationen, in denen du kein Sprichwort parat hast?«
»Dieses hier wird dir gefallen«, lächelte sie. »Es heißt: Halte niemals einen Menschen für tot, ehe du nicht seine Leiche gesehen hast. Und selbst dann kannst du dich irren.«
14
In ›Zeiten der Reflexion‹ berichtet Muad'dib, daß seine wirkliche Erziehung und Bildung erst zu dem Zeitpunkt einsetzte, als er gezwungen war, sich mit den auf Arrakis herrschenden Realitäten auseinanderzusetzen. Er lernte an der Beschaffenheit des Wüstensandes das Wetter zu erkennen; erfuhr, wie man aus der Schärfe wehender Sandkörner die Sprache des Windes herausliest, und wie man es vermeidet, die Sandkrätze in der Nase zu bekommen. Er fand heraus, wie man die Flüssigkeiten beieinanderhielt, die den eigenen Körper schützen und bewahren. Als seine Augen die Bläue des Ibad annahmen, erfuhr er die Wege der Chakobsa.
Stilgars Vorwort zu ›Muad'dib, der Mensch‹,
von Prinzessin Irulan
Stilgars Trupp kehrte, als sich der erste Mond leuchtend über die Felsen erhob, mit den beiden Flüchtlingen aus der Wüste in den Sietch zurück. Die in wallende Roben gekleideten Männer wurden schneller, je näher sie der Heimat kamen, so, als könnten sie die zurückgelassene Gemeinschaft förmlich riechen. Hinter ihnen färbte sich der Himmel grau. Bald würde die Sonne aufgehen und das Land überstrahlen. Man konnte am Glanz des Lichtes erkennen, daß der Herbst die erste Hälfte überschritten hatte.
Vor den steilen Felswänden, die das Talbecken abschirmten, lagen verdorrte Blätter, die die Sietch-Kinder gesammelt und deponiert hatten, aber der Trupp stieg darüber hinweg – wenn man von einigen Fehltritten Pauls und Jessicas absah –, ohne andere Geräusche, als die in einer solchen Nacht üblichen, hervorzurufen.
Paul wischte sich den von seinem Schweiß festgetrockneten Sand von der Stirn, fühlte, daß jemand seinen Arm berührte und hörte Chanis Stimme flüstern: »Mache es so, wie ich dir gesagt habe. Zieh die Kapuze bis über die Stirn! Du darfst nur die Augen freilassen, sonst verschwendest du zuviel Flüssigkeit.«
Ein geflüsterter Befehl von hinten verlangte nach Ruhe: »Die Wüste hört euch!«
Aus den Felsen über ihnen ertönte Vogelgezwitscher.
Der Trupp verharrte. Paul konnte die Spannung förmlich fühlen.
Aus den Felsen kam ein leises Klopfen, das nicht lauter war als das Geräusch, das eine springende Maus erzeugte.
Erneut zwitscherte der Vogel.
Eine Bewegung ging durch die Reihen. Und wieder schien die Springmaus über den Sand zu hüpfen.
Der Vogel zwitscherte nun zum drittenmal.
Die Fremen kletterten weiter durch einen Felsspalt, aber ihr Schweigen schien Paul jetzt noch bedrückender als zuvor zu sein. Manche Männer warfen Chani einen Blick zu, woraufhin sie den Kopf senkte und in eine andere Richtung schaute.
Sie hatten jetzt wieder Felsen unter den Füßen. Die Roben, die ihn umgaben, raschelten. Paul stellte fest, daß die Disziplin ein wenig nachzulassen schien, wenngleich immer noch niemand den geringsten Ton von sich gab. Er folgte den schattenhaften Umrissen des Mannes vor ihm – einige Stufen hinauf, eine Biegung, wieder Stufen. Dann ein Tunnel. Sie gingen an zwei versiegelten
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