Dune 01: Der Wüstenplanet
daß alle Atreides ihr Leben verloren hatten. Und er gab offen zu, daß die Bene-Gesserit-Hexe seine Geheimwaffe gewesen war. Und das konnte nur bedeuten, daß es keine Überlebenden der Familie gegeben hatte – nicht einmal ihr eigener Sohn.
Welch einen schrecklichen Haß muß sie auf die Atreides gehabt haben, daß sie zu einer solchen Tat fähig war, dachte er. Er muß genauso stark gewesen sein wie der, den ich für diesen Baron empfinde. Wird mein letzter Schlag ebenso vernichtend wie der ihre sein?
3
In jedem Ding befindet sich ein Muster, das ein Teil unseres Universums widerspiegelt. Es hat Symmetrie, Eleganz und Anmut – die gleichen Qualitäten, die man auch in dem findet, was wahre Künstler fesselt. Man findet es im Wechsel der Jahreszeiten, in der Art, in der Sand über die Ebene wandert, in den Trauben des Kreosotebuschs oder den Formen seiner Blätter. Wir versuchen, dieses Muster auch für unser Leben zu nutzen, indem wir einen bestimmten Rhythmus des Tanzes suchen oder Formen wahren, die uns Bequemlichkeit schenken. Dennoch ist es möglich, auf der Suche nach der höchsten Perfektion auch Gefahren zu sehen. Es ist sicher, daß das ultimate Muster auf sich selbst fixiert ist. Unter dem Einfluß einer solchen Perfektion bewegen sich alle Dinge dem Tode entgegen.
Aus ›Leitfäden des Muad'dib‹,
von Prinzessin Irulan
Paul Muad'dib erinnerte sich an eine Mahlzeit, die stark mit Gewürzessenz durchsetzt gewesen war. Er klammerte sich an diese Erinnerung, die ihm die Gewißheit gab, daß alles andere, was er jetzt sah, ein Traum sein mußte.
Ich bin die Bühne, auf der sich alles abspielt, dachte er. Ich bin ein Opfer unvollständiger Visionen, des rassischen Unterbewußtseins und dessen schrecklichem Ziel.
Dennoch konnte er der Furcht, daß etwas dabei war, ihn zu überrennen, nicht entkommen; er schien seinen festen Stand im Fluß der Zeit verloren zu haben. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gingen nahtlos ineinander über.
Chani hat das Essen für mich zubereitet, dachte er.
Und jetzt befand sie sich tief im Süden, in jenem alten Land, in dem die Sonne heiß vom Himmel strahlte, versteckt in einer der neuen Sietch-Festungen, zusammen mit ihrem Sohn, Leto dem Zweiten.
Oder war das etwas, das erst noch passieren würde?
Nein, machte er sich klar, denn Alia-die-Fremde, seine Schwester, war zusammen mit ihrer Mutter und Chani denselben Weg gegangen – einen Zwanzig-Klopfer-Trip nach Süden, in der Sänfte der Ehrwürdigen Mutter, auf dem Rücken eines wilden Bringers.
Er schob den Gedanken an einen Ritt auf dem Rücken eines Wurms beiseite und dachte: Oder muß auch Alia erst noch geboren werden?
Ich war auf einer Razzia, erinnerte Paul sich. Wir wollten das Wasser unserer Toten bei Arrakeen zurückgewinnen. Und ich fand dabei die Überreste meines Vaters auf einem Scheiterhaufen. Ich habe seinen Schädel auf einem Felsen über dem Harg-Paß zur letzten Ruhe gebettet.
War auch dies ein Erlebnis, das er erst noch haben würde?
Meine Wunden sind keine Einbildung, sagte Paul sich. Und auch nicht die Narben. Also ist auch der Schrein meines Vaters Wirklichkeit.
Immer noch in dieser seltsamen Traumwelt gefangen, erinnerte sich Paul, daß Harah, Jamis' Frau, in seinen Ruheraum eingedrungen war und ihm berichtet hatte, daß sich auf dem davorliegenden Korridor ein Kampf abspielte. Es war in dem Sietch gewesen, den sie zwischendurch bewohnt hatten – bevor man die Frauen und Kinder nach Süden schickte. Harah hatte im Eingang zur inneren Kammer gestanden. Wasserringe hatten ihr Haar geteilt. Sie hatte dagestanden, den Vorhang beiseitegeschoben und ihm erzählt, daß Chani soeben dabei war, jemanden umzubringen.
Das ist geschehen, dachte Paul. Es war Wirklichkeit und ist auch in der Zukunft nicht zu ändern.
Er erinnerte sich, hinausgeeilt zu sein und Chani keuchend neben einem gelbes Licht verbreitenden Leuchtglobus gefunden zu haben. Sie trug ein hellblaues Wickelkleid mit Kapuze. Die Kapuze war zurückgeschoben, und ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck, den er nicht deuten konnte. Sie war gerade dabeigewesen, das Messer in die Scheide zurückzuschieben, während eine ziemlich eilige Gruppe von Menschen – eine Leiche zwischen sich – den Korridor hinabrannte.
Und Paul erinnerte sich, daß er damals zu sich selbst gesagt hatte: Du weißt, was es bedeutet, wenn sie einen Leichnam zwischen sich tragen.
Chanis Wasserringe, die im Innern des Sietchs offen getragen wurden, hatten
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