Dune 01: Der Wüstenplanet
betroffen und wichen zurück. Das Schweigen griff sofort auf die gesamte Menge über.
»Eine Menge Arbeit wartet auf uns«, sagte Paul, drehte sich um und bahnte sich mit der Schulter eine Gasse. Er erreichte die steinerne Bühne, schwang sich hinauf und wandte sich der Versammlung zu.
»Tu es!« schrie jemand.
Gemurmel kam auf.
Paul wartete, bis die Leute sich wieder beruhigt hatten und das allgemeine Gemurmel in vereinzeltem Hüsteln endete. Dann hob er den Kopf, streckte das Kinn vor und sagte so laut, daß man es noch in der entferntesten Ecke hören konnte: »Ihr seid des Wartens müde.«
Erneut wartete er, bis die Erwiderungsrufe verstummt waren.
Und das sind sie wirklich, dachte er. Er hob den Nachrichtenzylinder, schüttelte ihn und dachte an das, was in ihm verborgen war. Man hatte ihn einem Kurier der Harkonnens abgenommen.
Und die Nachricht war klar: sie besagte, daß Rabban von nun an mit keiner Unterstützung von Giedi Primus mehr rechnen konnte. Von nun an mußte er mit seinen Problemen auf Arrakis allein fertigwerden.
Paul hob erneut seine Stimme: »Ihr seid der Meinung, daß es an der Zeit sei, Stilgar herauszufordern und einen Wechsel in der Führung der Truppen hervorzurufen!« Bevor die Menge darauf antworten konnte, schrie er wütend: »Haltet ihr den Lisan al-Gaib denn wirklich für so dumm?«
Die Menge schwieg. Sie wirkte wie gelähmt.
Er übernimmt jetzt den religiösen Mantel, dachte Jessica. Aber das darf er nicht tun!
»Es ist so Brauch!« schrie jemand.
Trocken erwiderte Paul: »Auch Bräuche ändern sich.«
Aus irgendeiner Ecke der Höhle brüllte jemand mit unverhohlenem Zorn: »Aber nicht ohne unsere Zustimmung!«
Mehrere begeisterte Zurufe zeigten Paul, daß noch mehrere Leute so dachten.
»Wie ihr wollt«, erwiderte er.
Und plötzlich stellte Jessica fest, daß er die Kraft der Stimme so einsetzte, wie sie es ihn gelehrt hatte.
»Ihr werdet es bestimmen«, sagte Paul. »Aber zuerst werdet ihr mir zuhören.«
Stilgar ging am Bühnenrand entlang. Sein bärtiges Gesicht wirkte ausdruckslos. »Auch das ist einer unserer Bräuche«, sagte er in die Menge hinein. »Es ist das Recht eines jeden Fremen, in der Versammlung seine Stimme zu erheben. Und Paul Muad'dib ist einer der unseren.«
»Das Wichtigste ist der Nutzen des Stammes, nicht wahr?« fragte Paul, und Stilgar erwiderte mit flacher, aber dennoch würdiger Stimme:
»Das ist unser höchstes Ziel.«
»In Ordnung«, sagte Paul. »Dann laßt mich euch die Frage stellen, wer derjenige ist, der die Truppen unseres Stammes führt – und mithin auch die der anderen Stämme, da diese ihre Kampfkraft durch unsere Lehrer um ein beträchtliches steigern konnten?«
Er wartete ab und ließ seinen Blick über die Köpfe der Anwesenden schweifen. Niemand antwortete ihm.
Und er fuhr fort: »Ist es Stilgar, der all dies beherrscht? Er selbst streitet dies ab. Bin ich es also? Aber auch Stilgar befolgt meine Vorschläge nur gelegentlich, wenngleich die Weisesten der Weisen mir ihr Ohr leihen und auf den Versammlungen meinen Worten lauschen.«
Immer noch herrschte Stille.
»Ist es also meine Mutter, die herrscht?« fragte Paul. Er deutete auf Jessica, die, gekleidet in eine schwarze Robe, noch immer zwischen den Menschen stand. »Stilgar und die anderen Truppenführer fragen sie vor jeder wichtigen Entscheidung um ihren Rat, das weiß ein jeder von euch. Aber geht eine Ehrwürdige Mutter über den Sand oder führt sie eine Razzia gegen die Harkonnens an?«
Diejenigen Leute, die Paul von seinem Standort aus sehen konnte, runzelten nachdenklich die Stirn. Einige murmelten aufgeregt.
Er läßt sich auf eine gefährliche Sache ein, dachte Jessica, aber gleichzeitig erinnerte sie sich an den Nachrichtenzylinder und die darin enthaltene Botschaft. Jetzt wurde ihr auch Pauls Absicht klar: er zielte darauf ab, die Fremen zu verunsichern und ihre bisherigen Maßstäbe ins Wanken zu bringen. Alles weitere würde sich dann von selbst ergeben.
»Ein Mann kann also keine Führungsrolle übernehmen, ehe er nicht einen anderen im Zweikampf besiegt hat, wie?« fragte Paul herausfordernd.
»Es ist so Brauch!« rief jemand aus der Menge.
»Und was ist unser Ziel?« fragte Paul. »Unser Ziel ist es, das Ungeheuer Rabban von seinem Thron zu stoßen und aus unserer Welt etwas zu machen, auf dem unsere Familien in Ruhe und Frieden leben können. Ist das unser Ziel oder nicht?«
»Harte Aufgaben erzwingen harte Methoden«, rief ihm ein anderer
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