Dune 01: Der Wüstenplanet
es Gurney. Und ich habe ihr Rache geschworen! Aber offensichtlich weiß Paul überhaupt nicht, welch ein Ungeheuer diese Kreatur ist, die ihm das Leben schenkte. Diese Dämonin! Seinen Vater hat sie an die Harkonnens verkauft.
Paul durchquerte die Höhle und stellte fest, daß man mittlerweile die Verwundeten und Toten hinausgetragen hatte. Dabei fiel ihm ein, daß auch dieser Tag wieder in eine Legende aus dem Leben des Paul Muad'dib umgemünzt werden würde. Ich habe nicht einmal mein Messer gezogen, dachte er, aber trotzdem wird es eines Tages heißen, ich hätte zwanzig Sardaukar mit eigener Hand erschlagen.
Gurney folgte Stilgar, ohne den Grund unter seinen Füßen zu fühlen. Er achtete weder auf den Weg, noch auf die Beleuchtung. Alles in ihm schrie nach Rache. Die Hexe lebt, während die Männer, die sie verraten hat, in ihren Gräbern vermodern. Ich muß dafür sorgen, daß Paul die Wahrheit erfährt, ehe ich sie töte.
7
Ein haßerfüllter Mensch verschließt sich selbst vor den Argumenten der inneren Vernunft.
Aus ›Die Weisheit des Muad'dib‹,
von Prinzessin Irulan
Die Menge, die sich in der Versammlungshöhle zusammendrängte, strahlte für Jessica das gleiche Zusammengehörigkeitsgefühl aus, das sie zum erstenmal an dem Tag gespürt hatte, an dem Paul und Jamis aneinandergeraten waren. Die Leute murmelten nervös miteinander. Kleine Gruppen hatten sich bereits in der Menge gebildet.
Als sie durch den schmalen Gang von Pauls Privatquartier die Höhle betrat, verbarg sie schnell den Nachrichtenzylinder unter ihrer Robe. Nach der langen Reise vom Süden hierher fühlte sie sich endlich wieder ausgeruht, auch wenn sie nicht verstehen konnte, weshalb Paul die Erlaubnis, die erbeuteten Ornithopter zu benutzen, verweigerte.
»Noch besitzen wir nicht die Kontrolle über den Luftraum«, hatte er gesagt. »Und wir müssen mit dem Brennstoff sparen, den wir von außerhalb beziehen. Wir müssen dafür sorgen, daß die Maschinen und der Treibstoff so lange aufgespart werden, bis wir es uns leisten können, einen Maximaleinsatz zu fliegen.«
Paul stand mit einer Gruppe von Männern in der Nähe des Felsvorsprungs, der eine Art Bühne bildete. Im bleichen Licht der Leuchtgloben erschien ihr die Szenerie irgendwie unwirklich, die ganze Höhle kam ihr vor wie ein Präsentierteller, auf dem sich eine aufgeregte Menge drängte, die mit den Füßen scharrte und flüsterte.
Sie musterte ihren Sohn und fragte sich, warum er ihr noch nicht die Überraschung, die er in der Hinterhand hatte, präsentierte: Gurney Halleck. Der Gedanke an Gurney weckte Erinnerungen an eine lange nicht mehr existierende Vergangenheit, an die Zeit der Liebe mit Pauls Vater.
Am anderen Ende der Bühne wartete Stilgar, umgeben von einer Gruppe seiner Freunde. Die Art, in der er ohne ein Wort zu sagen dastand, verlieh ihm eine Aura der Würde.
Wir dürfen diesen Mann nicht verlieren, dachte Jessica. Pauls Plan darf nicht schiefgehen. Alles andere würde eine entsetzliche Tragödie hervorrufen.
Sie betrat die Bühne, überquerte sie und ging an Stilgar vorbei, ohne ihn anzusehen. Von der Bühne aus betrat sie die Höhle, den Versammlungsraum, in dem die Menge bereitwillig Platz für sie machte. Stille umfing sie.
Jessica wußte, was dieses Schweigen bedeutete: unausgesprochene Fragen, aber auch der Respekt vor der Ehrwürdigen Mutter.
Als sie sich Paul näherte, zogen sich die ihn umstehenden jungen Männer zurück. Jessica war einen Moment bestürzt angesichts der Ehrerbietung, die sie ihm erwiesen. ›Alle Menschen, die unter dir stehen, sind begierig, deine Position einzunehmen‹, lautete eines der Axiome der Bene Gesserit, aber in den Gesichtern der Umstehenden konnte sie von dieser Begierde nichts entdecken. Irgend etwas an der religiösen Aura, die Pauls Führerschaft umgab, hielt sie zurück. Und ihr fiel ein weiteres Sprichwort der Bene Gesserit ein: ›Es ist Brauch, daß Propheten unter Gewalteinwirkung sterben.‹
Paul schaute sie an.
»Es ist soweit«, sagte Jessica und reichte ihm den Nachrichtenzylinder.
Einer von Pauls Männern – er fiel durch seine Dicklichkeit auf – warf Stilgar einen Blick zu und sagte: »Wirst du ihn jetzt herausfordern, Muad'dib? Jetzt ist die richtige Zeit. Die Leute werden dich für einen Feigling halten, wenn du ...«
»Wer wagt es, mich einen Feigling zu nennen?« verlangte Paul zu wissen. Seine Hand zuckte zum Griff des Crysmessers.
Die Fremen in seiner Nähe schwiegen
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