Dune 01: Der Wüstenplanet
Paul.
»Bedeutet das, daß du mich herausforderst?« wollte Stilgar wissen.
»Falls ich es täte«, sagte Paul, »würde ich dabei unbewaffnet vor dir stehenbleiben und ließe mich umbringen.«
Stilgar schnappte erschreckt nach Luft.
Chani sagte: »Usul!« Sie warf Gurney und Paul einen verwirrten Blick zu.
Während Stilgar noch nach Worten suchte, sagte Paul: »Du bist Stilgar, ein Krieger. Als die Sardaukar zu kämpfen anfingen, bist du nicht an der Front geblieben. Dein erster Gedanke war, Chani zu beschützen.«
»Sie ist meine Nichte«, erwiderte Stilgar. »Und hätte ich nur den geringsten Zweifel gehabt, daß die Fedaykin mit diesem Abschaum nicht fertiggeworden wären ...«
»Warum galt dein erster Gedanke Chani?« verlangte Paul zu wissen.
»Er galt ihr gar nicht«, räumte Stilgar ein.
»Wie?«
»Mein erster Gedanke galt dir«, sagte Stilgar.
»Glaubst du, du könntest die Hand gegen mich erheben?« fragte Paul.
Stilgar fing an zu zittern. »Es ist so Brauch«, murmelte er schließlich.
»Es ist Brauch, daß man, wenn man unbekannte Fremdweltler in der Wüste trifft, diese tötet, um ihr Wasser als ein Geschenk des Shai-Hulud entgegenzunehmen«, sagte Paul. »Und doch hast du einmal zwei Leben gerettet: das meiner Mutter und das von mir.«
Als Stilgar schwieg und den Blick gesenkt hielt, fügte Paul hinzu.
»Du siehst, wie schnell sich Bräuche ändern, Stilgar. Und mindestens zu einem hast du selbst den Anstoß gegeben.«
Stilgar starrte das gelbe Wappen am Griff des Messers an.
»Glaubst du«, fragte Paul ihn, »daß ich, wenn ich erst wieder als Herzog in Arrakeen sitze, noch die Zeit dazu hätte, mich um alle Dinge zu kümmern, um die sich ein Führer des Sietch Tabr kümmern muß? – Befaßt du dich denn mit den internen Problemen einer jeden einzelnen Familie?«
Stilgars Blick löste sich nicht von der Klinge.
»Glaubst du, ich könnte ein Interesse daran haben, mir den eigenen rechten Arm abzuschneiden?« fragte Paul weiter.
Langsam hob Stilgar den Kopf.
»Du!« sagte Paul laut. »Glaubst du, ich würde zulassen, daß der Stamm und ich in der Zukunft auf deinen weisen Rat verzichten müssen?«
Mit leiser Stimme erwiderte Stilgar: »Es gibt einen jungen Mann in meinem Stamm, den ich ohne Schwierigkeiten herausfordern und töten könnte zu Shai-Huluds Ehren. Aber dem Lisan al-Gaib kann ich nichts tun. Du hast dies gewußt, als du mir dieses Messer gabst.«
»Ich wußte es«, stimmte Paul zu.
Stilgar öffnete die Hand. Das Messer landete klirrend auf dem steinernen Boden. »Die Bräuche ändern sich«, sagte er.
»Chani«, sagte Paul, »gehe zu meiner Mutter und überbringe ihr die Nachricht, daß ihr Rat hier ...«
»Aber du sagtest, wir würden gemeinsam nach Süden gehen!« protestierte das Mädchen.
»Ich habe mich geirrt«, warf Paul ein. »Die Harkonnens sind nicht hier, also auch kein Krieg.«
Chani schnappte nach Luft, aber schließlich blieb ihr doch nichts anderes übrig, als die Gegebenheiten zu akzeptieren.
»Du wirst meiner Mutter eine Botschaft überbringen«, fuhr Paul fort, »die allein für ihre Ohren bestimmt ist. Sage ihr, daß Stilgar mich als Herzog von Arrakis anerkennt, daß wir aber noch einen Weg finden müssen, dies den jungen Männern beizubringen, ohne daß sie rebellieren.«
Chani sah Stilgar an.
»Tu, was er sagt«, brummte Stilgar. »Wir wissen beide, daß er in der Lage wäre, mich zu besiegen, ohne daß ich eine Hand gegen ihn erheben könnte.«
»Ich werde mit deiner Mutter zurückkehren«, sagte Chani zu Paul.
»Sie soll allein kommen«, befahl Paul. »Stilgar hat schon immer recht gehabt: Ich bin stärker, wenn ich dich in Sicherheit weiß. Du wirst im Sietch zurückbleiben.«
Obwohl sie zunächst protestieren wollte, unterließ sie es.
»Sihaya«, sagte Paul und sprach sie mit dem Namen an, den er sonst nur benutzte, wenn sie allein waren. Abrupt wandte er sich von Chani ab. Sein Blick traf den Gurneys. Halleck schien das vorangegangene Gespräch nur bis dahin mitbekommen zu haben, wo Paul seine Mutter erwähnt hatte.
»Ihre Mutter«, sagte Halleck plötzlich.
»Es war Idaho, der uns in der Nacht, als der Überfall passierte, retten konnte«, sagte Paul und sah der hinausgehenden Chani nach. »Jetzt sind wir ...«
»Was ist aus Duncan Idaho geworden, Mylord?« fragte Gurney.
»Er ist tot. Er hat die Angreifer mit seinem bloßen Körper aufgehalten, um uns eine Chance zur Flucht zu geben.«
Die Hexe lebt also noch! durchzuckte
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