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Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten

Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten

Titel: Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Herbert
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Grund gehandelt hatte. Die Motive und die auslösenden Kräfte waren immer vielfältig und oft verschwommen gewesen. Rückblickend sah er sich selbst mehr als einen Getriebenen denn als einen, der entschlossen war, mit zielbewußtem Willen sein Leben zu gestalten – von Anfang an. Er hatte den flüchtigen und irgendwie wohltuenden Gedanken, daß er noch immer dem Schicksal ausweichen könne, das er so deutlich am Ende dieses Weges sah. Aber die Menge stieß ihn vorwärts, und der Gedanke verlor sich in dem Bewußtsein, daß er abgedrängt war und die persönliche Kontrolle über seine Bewegungen verloren hatte.
    Die Menge schob ihn durch das Portal und in den Tempel hinein. Die Stimmen, eben noch lachend, schimpfend, durcheinanderredend, verstummten: hier im Tempel herrschten ehrfürchtiges Schweigen und der Geruch von saurem Schweiß und ungewaschenen Kleidern.
    Eine Anzahl Priester und Akoluthen hatte bereits mit dem Gottesdienst begonnen. Ihr monotoner, doch wohlklingender Gesang übertönte die anderen Geräusche Geflüster, Husten, Füßescharren – und erzählte die Geschichte von den entlegenen Orten, die die Priesterin in ihrer heiligen Trance besucht hatte.
     
»Sie reitet den Sandwurm des Alls!
Durch alle Stürme führt sie
In das Land der sanften Winde.
Mag auch das Schlangennest
Unser Lager sein,
Sie bewacht unsere träumenden Seelen.
Sie lindert die Glut der Wüste,
Birgt uns in Kühle.
Und sicher geleitet sie uns
Durch finstere Nacht,
Durch Jammer und Mühsal
Hinauf in den Himmel.
Ihre Gegenwart ist Süße,
Ist Duft wilder Blumen,
Hauch des Göttlichen.«
     
    Vorsicht! dachte Paul. Sie kann auch ziemlich anders sein. Zornig. Unbedacht. Leidenschaftlich.
    Die weite Halle des Tempels glich einem Meer von Köpfen in mystischem Halbdunkel. Nur vorn, wo die Priester und Akoluthen feierlich auf und ab schritten, waren hohe, schlanke Leuchtröhren aufgestellt, die brennende Kerzen simulierten. Sie flackerten. Das Flackern rührte in Paul Erinnerungen an alte Überlieferungen auf, obwohl er wußte, daß genau dies die Absicht war. Dieses ganze Arrangement war ein Atavismus, aber zugleich angewandte Psychologie, bis ins Detail durchdacht und wirksam. Er ärgerte sich jetzt, daß er selbst daran mitgeplant hatte.
    Zwischen den Reihen der Leuchtröhren stand ein hell angestrahlter Altar. Die Wand hinter ihm war mit schwarzem Holz vertäfelt, und jedes Feld zeigte eine mythologische Szene in Relief. Eine reichverzierte Tür in der Mitte dieser Wand wurde von verborgenen Lichtquellen in den Farben des Spektrums angestrahlt, die durch irgendeinen beleuchtungstechnischen Trick wie ein bewegter Vorhang auf und nieder und durcheinander wallten.
    Paul betrachtete mit distanziertem Interesse die Pilger und Gläubigen in seiner Umgebung. Er war erstaunt über ihre Aufmerksamkeit und die Hingabe, mit der sie die zeremoniellen Gesänge verfolgten. Es schien ihm, daß sie in den banalen, pathetischen Texten Wahrheiten und Tröstungen fanden, die er nicht hören konnte.
    Er versuchte, sich seitwärts durch die Menge zu drängen, um an der Wand entlang den Ausgang zu erreichen. Schon nach wenigen Metern legte eine Hand sich auf seinen Arm und hielt ihn zurück. Sein Kopf fuhr herum, und er sah in die durchdringenden Augen eines alten Mannes – tiefblaue Augen unter buschig überhängenden Brauen; der Mann war ein Einheimischer, kein fremder Pilger, und in seinen Augen war Wiedererkennen. Nach einem Moment der Ratlosigkeit tauchte aus den Tiefen von Pauls Erinnerungen ein Name auf: Rasir, ein Gefährte aus den alten Tagen in der Wüste.
    Paul erkannte, daß er in diesem Gedränge hilflos und verwundbar wäre, wenn Rasir einen Anschlag plante.
    Der alte Mann drängte sich heran, eine Hand unter dem fettigen, verblichenen Gewand – ohne Zweifel hielt er einen Dolch umklammert. Paul spannte sich so gut er konnte für die Abwehr des Angriffs, aber der alte Mann reckte den Kopf zu Pauls Ohr und flüsterte: »Wir werden mit den anderen gehen.«
    Es war das Kennwort, mit dem sein Führer sich identifizieren sollte. Paul nickte.
    Rasir zog sich zurück. Beide wandten ihre Blicke zum Altar, um nicht aufzufallen. Die Akoluthen sangen ihre Litanei.
     
»Sie kommt aus dem Osten,
Die Sonne im Rücken.
Alles ist ihr offenbar.
Was im Licht ist
Und was im Dunkel wohnt.«
     
    Das Wimmern einer Rebaba erhob sich über den Chor, brachte ihn zum Verstummen, verging selbst in Stille. Als sei es ein Signal, wogte die Menge mehrere Meter

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