Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten
Verwandlungskünstler nicht erschlagen. Das würde diejenige Zukunft herbeiführen, die es um jeden Preis zu vermeiden galt. Irgendwie mußte ein Weg gefunden werden, in die Dunkelheit zu greifen und das furchtbare Modell zu verändern.
»Geben Sie mir die Botschaft«, sagte Paul.
Bannerjee bewegte sich seitwärts weiter und nahm eine Position ein, wo er das Gesicht des Mädchens beobachten konnte. Sie schien jetzt erst zu bemerken, daß er noch im Raum war, und ihr Blick ging zum Heft des Dolches unter der griffbereiten Hand des Sicherheitsoffiziers.
»Die Unschuldigen glauben nicht an das Böse«, sagte sie mit einem direkten Blick in Bannerjees Gesicht.
Gut gemacht, dachte Paul. Genau das würde Otheyms Tochter gesagt haben. Er fühlte ein momentanes, schmerzliches Bedauern für Otheyms wirkliche Tochter – tot jetzt, eine ausgetrocknete, verstümmelte Leiche im Sand der Wüste. Doch dies war nicht die Zeit für solche Gefühle. Er blickte finster.
Bannerjee ließ nicht ab, das Mädchen zu beobachten.
»Ich habe den Auftrag, meine Botschaft im geheimen zu übergeben«, sagte sie.
»Warum?« fragte Bannerjee grob.
»Weil es der Wunsch meines Vaters ist.«
»Dies ist mein Freund«, sagte Paul mit einem Kopfnicken zu Bannerjee. »Bin ich nicht in der Wüste groß geworden, als einer der Eurigen? Ich ehre die Bräuche der Fremen. Mein Freund mag alles hören, was ich höre.«
Scytale fühlte einen Anflug von Unsicherheit. War dies wirklich ein Brauch der Nomaden ... oder war es eine Probe?
»Der Herrscher mag seine eigenen Regeln machen«, sagte er. »Dies ist die Botschaft: Mein Vater erbittet Ihren und Chanis Besuch.«
»Warum soll ich Chani mitbringen?«
»Sie ist Ihre Frau, und eine Sayyadina. Dies ist eine Wasserschuld, nach den Gesetzen unserer Stämme. Sie muß bezeugen, daß mein Vater nicht gegen die Regeln verstößt.«
Es sind tatsächlich Fremen an der Verschwörung beteiligt, dachte Paul. Dieser Moment paßte ohne Zweifel zu der Form der kommenden Dinge. Und er hatte keine Alternative, als sich diesem Kurs zu unterwerfen.
»Über was will Ihr Vater sprechen?« fragte Paul.
»Er wird über ein Komplott gegen Sie sprechen – ein Komplott unter den Fremen.«
»Warum bringt er diese Botschaft nicht persönlich?« fragte Bannerjee.
»Mein Vater kann nicht hierher kommen«, sagte sie. »Die Verschwörer beobachten ihn mit Mißtrauen. Er würde den Weg nicht überleben.«
»Konnte er Ihnen nicht die Einzelheiten des Komplotts erläutern?« fragte Bannerjee. »Was könnte auffälliger sein als ein Besuch des Herrschers in seinem Haus?«
»Die Einzelheiten sind in einem Distrans-Träger verschlossen, den nur Muad'dib öffnen darf«, antwortete das Mädchen. »Soviel weiß ich.«
»Warum schickt er dann nicht den Distrans-Träger?« fragte Paul.
»Es ist ein menschlicher Distrans-Träger.«
»Dann werde ich gehen«, sagte Paul. »Aber ich werde allein gehen.«
»Chani muß mit Ihnen kommen, Herr!«
»Chani ist schwanger.«
»Noch nie hat eine Frau unseres Stammes sich geweigert ...«
»Meine Feinde haben ihr ein Gift eingeflößt«, unterbrach Paul. »Es wird eine schwierige Geburt geben. Ihre Gesundheit erlaubt ihr nicht, mich zu begleiten.«
Bevor Scytale sie unterdrücken konnte, gingen heftige Emotionen über die Mädchenzüge: Enttäuschung, Zorn, Bitterkeit. Dann ermahnte er sich, daß jedes Opfer eine Fluchtmöglichkeit haben mußte – selbst wenn es eins wie Muad'dib war. Die Verschwörung hatte auch so nicht versagt. Der Atreides blieb im Netz. Er war ein Mensch, der sich zu einem bestimmten Verhaltensmodell hin entwickelt hatte und nun fest darin verwurzelt war. Er würde sich eher selbst zerstören, als sich ins Gegenteil dieses Modells zu verändern. So war es mit dem Übermenschen der Tleilax gewesen. So würde es mit diesem sein. Und dann war da noch der Ghola.
»Lassen Sie mich Chani fragen, damit sie entscheidet«, sagte das Mädchen.
»Ich habe entschieden«, sagte Paul schroff. »Sie werden mich an Chanis Stelle begleiten.«
»Es wird eine Sayyadina des Ritus benötigt!«
»Sind Sie nicht Chanis Freundin?«
Gefangen! dachte Scytale. Ob er einen Verdacht hat? Nein. Er ist nur vorsichtig. Und das mit dem empfängnisverhütenden Mittel ist eine Tatsache. Nun – es gibt noch andere Wege.
»Mein Vater sagte mir, ich solle nicht zurückkehren«, sagte Scytale. »Ich solle bei Ihnen um Asyl nachsuchen. Er sagte, Sie würden mein Leben beschützen.«
Paul nickte. Das
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