Dune 02,5 - Stürme des Wüstenplaneten
Haut, sondern auch an der farbenfrohen Kleidung, den imitierten Destillanzügen, der fremdartigen Mode, die eigens für dieses Ereignis kreiert worden war. Selbst jene, die versuchten, sich wie die Einheimischen zu gewanden, wirkten auf den ersten Blick unglaubwürdig. Es war ein gefährlicher Ort für die Unachtsamen. Es war zu Morden an Fremdweltlern gekommen, die angeblich nicht den gebotenen Respekt vor Muad'dib gezeigt hatten.
Jessica gehörte zu einer besonderen Kategorie von Fremdweltlern – denen, die sich angepasst hatten. Bei ihrer Ankunft auf Arrakis vor sechzehn Jahren war sie genauso wie ihre Familie verweichlichter gewesen, als ihr bewusst gewesen war, aber je länger sie hier gelebt hatten, desto mehr waren sie körperlich wie geistig abgehärtet worden. Auf ihrer Flucht vor dem Verrat der Harkonnens hatten Jessica und ihr Sohn enger mit den Fremen zusammengelebt als irgendein Außenstehender zuvor. Sie waren tatsächlich zu einem Teil der Wüste geworden und hatten in Harmonie mit ihr gelebt.
Paul hatte das Wasser des Lebens zu sich genommen und wäre fast daran gestorben, doch dabei hatte er uneingeschränkten Zugang zur isolierten Welt der Fremen erlangt. Auf diese Weise war er nicht nur einer von ihnen geworden, sondern war mit ihrer Gesamtheit verschmolzen. Muad'dib war mehr als ein Individuum gewesen, er umfasste sämtliche Fremen, die jemals existiert hatten und existieren würden. Er war ihr Messias, der Auserwählte, von Shai-Hulud gesandt, um ihnen den Weg zum ewigen Ruhm zu weisen. Indem er nun in die Wüste hinausgegangen war, hatte er diese Welt noch heiliger als zuvor gemacht. Jetzt verkörperte er die Wüste und den Wind, der seinen Geist über die gesamte Menschheit verbreiten würde.
Die Leichenkutsche kam vor der Zuschauertribüne zum Stehen. Sie wurde von einem Fremen in traditionellem Gewand gelenkt. Ohne äußeres Anzeichen der Trauer gab Alia ihren Adjutanten einen Befehl.
Bedienstete entfernten die schwarzen Tücher von der Kutsche, während andere die zwei Löwen ausspannten und fortbrachten. Der Kutscher stieg vom hohen Bock, verbeugte sich ehrfürchtig vor der Idee, die das Gefährt beförderte, und zog sich dann in die Menge zurück.
Aus der Kutsche drang ein heller werdendes Licht, während sich die Seitenwände öffneten wie die Blätter einer großen Blüte und Muad'dibs Urne offenbarten, die auf einer purpurfarbenen Plattform stand. Die Urne leuchtete, als würde sie eine eigene Sonne enthalten, und erhellte den Platz, über den sich bereits die Dämmerung gelegt hatte. Einige Zuschauer in der Menge fielen auf die Knie oder wollten sich ganz zu Boden werfen, doch dazu war zu wenig Platz vorhanden.
»Selbst im Tod inspiriert mein Bruder sein Volk«, sagte Alia zu ihrer Mutter. »Muad'dib, der Wegweisende.«
Jessica tröstete sich mit dem Wissen, dass Paul für immer in den Erinnerungen, Geschichten und Mythen fortleben würde, die man von einer Generation an die nächste, von einem Planeten zum anderen weitergab. Trotzdem konnte sie tief in ihrem Innern immer noch nicht akzeptieren, dass Paul tot war. Dazu war er viel zu stark, viel zu lebendig, viel zu sehr wie eine Naturgewalt. Doch seine eigene Hellsicht, sein eigener unerträglicher Kummer über das, was er getan hatte, war ihm zum Verhängnis geworden.
Hier bei seiner Trauerfeier sah Jessica überall bestürzte, verzweifelte Menschen ... und spürte in sich selbst eine beunruhigende Leere.
Viele Milliarden Menschen waren im Namen Muad'dibs und seines Djihads gestorben. Insgesamt hatte er neunzig Planeten sterilisiert, sie von sämtlichem Leben gesäubert. Aber sie wusste, dass es notwendig gewesen war, dass seine Visionen ihm die Unvermeidlichkeit dieses Tuns gezeigt hatten. Sie hatte lange gebraucht, um zu verstehen, um zu glauben, dass Paul tatsächlich von der Richtigkeit seiner Handlungen überzeugt war. Jessica hatte an ihm gezweifelt, sich beinahe mit tragischen Konsequenzen gegen ihn gewandt ... aber schließlich hatte sie die Wahrheit erkannt. Sie hatte eingesehen, dass ihr Sohn mit seiner Behauptung Recht hatte, dass noch viel mehr Menschen sterben würden, wenn er nicht diesen schwierigen Weg eingeschlagen hätte.
Jetzt konzentrierten sich all diese vielen Tode in einem einzigen: dem von Paul Orestes Atreides.
Als die Urne leuchtete, rang Jessica mit ihren Gefühlen der Liebe und des Verlusts. Diese Emotionen waren den Bene Gesserit fremd, doch das war ihr gleichgültig. Dies ist die Trauerfeier
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