Dune 02,5 - Stürme des Wüstenplaneten
wandte sich den Massen zu, ein Lächeln auf ihrem Antlitz, das Haar gelöst und wild.
»Mein Vater wurde nie so begrüßt, wenn er sich an die Menschen von Kaitain wandte«, flüsterte Irulan Jessica zu.
»Nach Muad'dib werden die Menschen nie mehr wie zuvor zu ihren Führern aufblicken.« Jessica war sich bewusst, wie gefährlich und verführerisch diese Macht sein konnte. Und sie verstand auch, dass Paul den Djihad absichtlich ausgelöst und genau gewusst hatte, was er tat. Und dann hatte er die Kontrolle darüber verloren.
Vor langer Zeit in einer Fremen-Höhle hatte sie große Angst vor seiner Entscheidung gehabt, Feuer an den Zunder der religiös getränkten Wüstentraditionen zu legen. Es war ein gefährlicher Weg, und er hatte sich als genauso tückisch erwiesen, wie sie befürchtet hatte. Wie konnte er nur glauben, die Lawine aufhalten zu können, wenn sie ihm nicht mehr von Nutzen war? Und nun hatte Jessica Angst, dass Alia von diesem Sturm mitgerissen wurde, genauso wie das Treibgut der Menschheit.
Alia sprach, und ihre verstärkte Stimme hallte über den großen Platz. Die Menge verfiel in andächtiges Schweigen und hing an ihren Lippen. »Mein Volk, wir haben schwierige und gefährliche Zeiten durchgemacht. Die Schwesternschaft der Bene Gesserit lehrt, dass wir uns anpassen müssen. Die Fremen sagen, dass wir Rache nehmen müssen. Und ich sage, dass die Zeit des Heilens gekommen ist.
Jene, die an der Verschwörung gegen Muad'dib beteiligt waren, wurden bestraft. Ich habe ihre Hinrichtung angeordnet, und wir haben ihr Wasser zurückgenommen.« Sie wandte sich um und streckte eine Hand in Richtung Turm, um Irulan herbeizurufen. »Doch hier ist eine der Wunden, die wir heilen müssen.«
Die Prinzessin reckte die Schultern und trat neben Alia in den Sonnenschein.
»Vielleicht habt ihr Gerüchte gehört, dass Prinzessin Irulan in irgendeiner Weise in die Intrige verwickelt war. Manche von euch fragen sich, wie viel Mitschuld sie trägt.«
Das Raunen der Menge steigerte sich zu einem tiefen, synchronen Grollen. Jessica, die außer Sicht war, ballte die Hände zu Fäusten. Sie hatte Alia von dem überzeugt, was zu tun war, und ihre Tochter hatte sich für diese kluge Vorgehensweise entschieden. Doch in diesem Moment konnte Alia es sich anders überlegen – mit nur einem einzigen Wort an die vielen Menschen, die in ihrem Bann standen – und Irulan zum Tode verurteilen. Keine Macht des Universum konnte es dann noch verhindern. Der Mob würde den Tempel stürmen und Irulan in Stücke reißen.
»Doch es soll keinen weiteren Zweifel geben«, sagte Alia, und Jessica stieß einen langen, tiefen Seufzer der Erleichterung aus. »Irulan war die Frau meines Bruders. Sie hat ihn geliebt. Deshalb und weil ich meinen Bruder, weil ich Muad'dib liebe, erkläre ich sie für unschuldig.«
Nun trat auch Jessica nach draußen, so dass die drei mächtigen Frauen, die drei überlebenden Frauen, die großen Einfluss auf das Leben von Paul Muad'dib gehabt hatten, nebeneinander standen. »Und als Mutter von Muad'dib werde ich ein Dokument verfassen und unterzeichnen, das Prinzessin Irulan vollständig von jedem Vergehen freispricht, das ihr zur Last gelegt wurde. Vor euren Augen soll nun alle Schuld von ihr abfallen.«
Alia hob die Arme. »Irulan ist die offizielle Biografin Muad'dibs, von ihm selbst dazu ernannt. Sie wird die Wahrheit schreiben, damit alle die wahre Natur des Muad'dib erkennen können. Gesegnet sei sein Name in den Annalen der Zeit.«
Von unten dröhnte die automatische Antwort herauf: »Gesegnet sei sein Name in den Annalen der Zeit.«
Die drei Frauen standen noch eine Weile da und hielten sich an den Händen, damit die Menschen Zeuge ihrer Eintracht wurden – als Mutter, Schwester und Ehefrau.
Leise sagte die Prinzessin zu Alia: »Ich stehe erneut in deiner Schuld.«
»Du standest schon immer in meiner Schuld, Irulan. Und nachdem wir nun diese ärgerliche Störung aus dem Weg geräumt haben, werden wir sehen, wie du uns von Nutzen sein kannst.«
11
Muad'dib wurde nie geboren und ist nie gestorben. Er ist ewig wie die Sterne, die Monde und der Himmel.
Der Arrakeen-Ritus
Keine Mutter sollte dazu gezwungen sein, der Bestattung ihres Sohnes beizuwohnen.
In einer Privatloge mit Blick auf den Hauptplatz von Arrakeen standen Jessica und Gurney neben Alia, Duncan, Stilgar und der begnadigten Prinzessin Irulan. Eine Leichenkutsche näherte sich ihnen, mit schwarzen Tüchern verhüllt und von
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