Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
Destillanzuges als zusätzlichen Schutz. »Es ist ein wenig Sand eingedrungen«, sagte er. »Sieh zu, daß er entfernt wird, sobald du zurück bist.«
»Sand in unseren Wunden«, rezitierte Ghanima. »Für einen Fremen ist das eine alte Geschichte.«
Leto setzte sich auf die Fersen und lächelte.
Ghanima holte tief Luft und sagte erleichtert: »Wir haben es geschafft.«
»Noch nicht.«
Sie schluckte und versuchte sich von den Nachwirkungen des Schocks zu erholen. Im Licht des Globus erschien ihr Gesicht blaß. Und sie dachte: Ja, wir müssen jetzt schnell machen. Wer immer auch die beiden Tiger kontrollierte – er ist irgendwo da draußen.
Leto, der seine Schwester anstarrte, fühlte plötzlich das bedrückende Gefühl der Verlorenheit. Es war ein tiefer Schmerz, der seine Brust durchzog. Ghanima und er mußten sich nun trennen. Und dabei waren sie seit der Zeit ihrer Geburt beinahe eine einzige Person gewesen. Aber ihr Plan verlangte, daß sie sich jetzt beide einer Metamorphose unterwarfen und getrennte Wege in die Einmaligkeit hinein gingen, in der das gemeinsame Empfinden täglicher Erfahrungen sie nie wieder in der gleichen Art vereinigen würde wie bisher.
Leto zog sich in die weltliche Notwendigkeit zurück und sagte: »Hier, mein Überlebenspack. Daraus stammen die Bandagen für dich. Vielleicht kommt jemand auf die Idee, das nachzuprüfen.«
»Ja.« Sie tauschten die Sätze aus.
»Irgend jemand dort draußen hat einen Servosimulator für die Katzen«, sagte Leto. »Aller Wahrscheinlichkeit nach wird er sich in der Nähe des Qanat aufhalten, um sich über unser Schicksal sicher zu sein.«
Ghanima nahm die Maula-Pistole, die auf dem Überlebenspack lag, und schob sie unter die Schärpe ihrer Robe. »Meine Kleider sind zerfetzt.«
»Ja. Sicher werden bald die ersten Suchkommandos hier auftauchen. In ihren Reihen wird ein Verräter sein. Am besten läufst du ihnen nicht in die Arme. Geh zu Harah. Sie soll dich verstecken.«
»Ich ... Ich werde dafür sorgen, daß der Verräter entlarvt wird, sobald ich zurück bin«, sagte Ghanima. Sie sah ihren Bruder an, das schmerzhafte Wissen teilend, daß sie sich von nun an unterschiedlich weiterentwickeln würden. Nie wieder würden sie das Gefühl haben, eine einzige Person zu sein und ein Wissen zu teilen, das von keinem anderen verstanden wurde.
»Ich gehe nach Jacurutu«, sagte Leto.
»Fondak«, sagte Ghanima.
Er nickte zustimmend. Jacurutu/Fondak – die beiden Orte mußten miteinander identisch sein – es gab keine andere Möglichkeit, diesen legendären Ort anderweitig zu verbergen. Natürlich waren die Schmuggler dafür verantwortlich. Für sie, die aufgrund ungeschriebener Gesetze auf diesem Planeten existierten, war es ein leichtes gewesen, diese beiden Bezeichnungen auszutauschen. Die jeweils herrschende Familie eines Planeten hielt sich immer ein Schlupfloch offen, durch die sie in harten Zeiten entkommen konnte. Auf Arrakis erledigten diese Arbeit seit undenklichen Zeiten die Schmuggler. Die Tatsache, daß sie am Gewürzprofit teilhaben durften, ließ das von ihnen bereitgehaltene Loch offen. Und in Fondak/Jacurutu verfügten sie über einen einsatzbereiten Sietch, der über keine eingeborene Bevölkerung mehr verfügte. Sie hatten Jacurutu so versteckt gehalten und wußten, daß kein Fremen das Tabu, das ihn vom Betreten abhielt, je brechen würde.
»Kein Fremen würde auf die Idee kommen, mich an einem solchen Ort zu suchen«, sagte Leto. »Natürlich werden sie die Schmuggler befragen, aber ...«
»Wir tun alles so, wie wir es abgesprochen haben«, sagte Ghanima. »Bloß ...«
»Ich weiß.« Als Leto seine eigene Stimme hörte, wurde ihm bewußt, daß sie beide versuchten, sich gegenseitig den Abschied nicht zu schwer zu machen. Ein trockenes Grinsen umschattete seinen Mund, machte ihn älter. Ghanima hatte den Eindruck, als beobachte sie ihn durch einen Zeitvorhang. Er schien wirklich älter geworden zu sein. In ihren Augen brannten Tränen.
»Es ist nicht nötig, jetzt schon das Wasser für die Toten herzugeben«, sagte er und legte einen Finger gegen ihre feuchte Wange. »Ich werde weit genug hinausgehen, damit mich niemand hört, und dann rufe ich mir einen Wurm.« Er deutete auf die Bringerhaken, die neben seinem Überlebenssatz lagen. »Ich werde nicht mehr als zwei Tage brauchen, um Jacurutu zu erreichen.«
»Sei schnell, mein alter Freund«, flüsterte Ghanima.
»Ich werde zu dir zurückkehren, meine einzige Freundin«, sagte
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