Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
Gedärme, schwamm in einem Fluß einfacher, primitiver Emotionen. Er stellte fest, daß er nicht fähig war, auch nur einen einzigen Aspekt dieser Vision scharf einzustellen. In ihm war eine Stimme. Sie redete in einer uralten Sprache, und er verstand sie. Die Stimme war wie Musik, sie bewegte sich auf und ab, aber die Worte, die sie benutzte, erschienen ihm wie Knüppelschläge.
»Es ist nicht die Gegenwart, die die Zukunft beeinflußt, du Narr, sondern genau umgekehrt: Es ist die Zukunft, die die Gegenwart formt. Da diese Zukunft bereits festliegt, ist die Entfaltung von Ereignissen, die sie sicherstellen, notwendig und unausweichlich.«
Die Worte durchbohrten ihn. Er fühlte, wie das Entsetzen seinen Körper durchschoß, und stellte erst dadurch fest, daß er überhaupt noch existierte, wenn auch die Tatsache der empfangenen Botschaft dazu führte, daß er keinen Muskel rühren konnte. Und all die inneren Leben, die ihn einst glauben gemacht hatten, er sei sein eigener Herr, partizipierten an diesem Fluß der Informationen. Furcht ergriff ihn. Er glaubte, die innere Gewalt über sie zu verlieren und schließlich doch noch der Verdammnis anheimzufallen.
Er krümmte sich vor Grauen.
Er hatte sich auf seinen Sieg über all diese inneren Leben verlassen und deswegen ihre Kooperationsbereitschaft vorausgesetzt. Doch nun hatten sie sich gegen ihn gewandt, ohne Ausnahme – selbst Harum, dem er getraut hatte. Er lag schimmernd auf einer Oberfläche, die keinerlei Wurzeln besaß, unfähig, seinem Leben einen Ausdruck zu verleihen. Er bemühte sich, ein geistiges Selbstbildnis zu erzeugen und wurde konfrontiert mit einer Montage von Eindrücken, die sich überlappten: Er sah sich als Kind und schwankenden Greis und erinnerte sich an die frühe Ausbildung seines Vaters: Laß deine Hände erst alt werden, dann jung. Aber sein gesamter Körper war nun in dieser verlorenen Realität gefangen, während der Versuch, sich das eigene Aussehen ins Gedächtnis zurückzurufen, in einem Chaos endete: Alles verschmolz zu einem Wirbel von Gesichtern, die die Züge derjenigen trugen, deren Erinnerungen er besaß.
Ein diamantener Blitzstrahl zerriß ihn.
Leto fühlte, wie Teile seines Bewußtseins auseinandertrieben und kam dennoch zu dem Schluß, daß sich sein Ich in einem Zustand zwischen Sein und Nichtsein befand. Als er seinen Körper atmen hörte, stieg seine Hoffnung an. Einatmen ... ausatmen. Er sog tief die Luft ein: Yin. Und ließ sie wieder hinaus: Yang.
Irgendwo, ein kleines Stück hinter der Grenze seines Begriffsvermögens, lag der Ort der Unabhängigkeit, der ihm den Sieg über die Mannigfaltigkeit seiner inneren Leben bringen würde. Er würde ihn nicht mit Gewalt erringen, sondern auf andere Weise. Er erkannte jetzt, welchen Fehler er begangen hatte: Während des Trancezustandes war er mit aller Kraft gegen sie vorgegangen, anstatt den Ängsten ins Gesicht zu sehen, die Ghanima und er selbst in sich hervorgerufen hatten.
Die Angst hatte Alia besiegt!
Aber seine Suche nach Kraft hatte eine andere Falle abgedeckt, die für Ablenkung in die Phantasie sorgte. Er sah die Illusion. Der gesamte illusionäre Prozeß bewegte sich jetzt mit halber Kraft, und plötzlich fand er eine Stelle, von der aus es möglich war, den Flug seiner Visionen und inneren Leben zu beobachten.
Erleichterung durchflutete ihn und führte dazu, daß er das Bedürfnis verspürte, zu lachen. Er unterließ es jedoch, sich diesen Luxus zu gestatten. Es würde die Tore seiner Erinnerung verbarrikadieren.
Ah, meine Erinnerungen, dachte er. Ich habe eure Illusion nun gesehen. Nicht länger mehr werdet ihr die nächsten Momente für mich erdichten. Ihr werdet von nun an lediglich aufzeigen, wie man sie erschafft. Ich werde mich nicht mehr der Wahrheit verschließen.
Der Gedanke durchdrang ihn so stark, als reibe er eine Oberfläche sauber, und im Moment seiner Geburt fühlte Leto seinen gesamten Körper, jede Zelle, jeden Nerv. Er wechselte in ein Stadium absoluter Ruhe hinüber, in der er Stimmen hörte, von denen er wußte, daß sie aus großer Entfernung kamen, auch wenn er sie so deutlich vernahm, als würden sie von einem mächtigen Echo auf ihn zurückgeworfen.
Eine dieser Stimmen gehörte Halleck. »Vielleicht haben wir ihm zuviel gegeben.«
Namri antwortete: »Wir haben ihm genauso viel gegeben, wie sie uns gesagt hat.«
Halleck: »Vielleicht sollten wir hinausgehen und noch einmal nach ihm sehen.«
Namri: »Sabiha wird das schon machen.
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