Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
Gesellschaft, die sich über den Melangehandel und die Religion des Goldenen Elixiers gestülpt hatte. Es waren die Exzesse dieser Gesellschaft, die sie geleert hatte. Muad'dibs hohe Ziele waren dem Bann einer Scharlatanerie verfallen, die sich mit militärischer Kraft an der Macht hielt. Seine Religion hatte jetzt sogar einen anderen Namen: Shien-san-Shao. Es war eine Bezeichnung, mit der die Ixianer die Kraft und den Wahnsinn jener beschrieben, die glaubten, das Universum mit ihren Crysmessern in ein Paradies verwandeln zu können. Aber auch das würde sich ändern, ebenso wie die Ixianer, die zwar die Bezeichnung für ihren eigenen Planeten noch mit seiner Position in Zusammenhang brachten; die Sprache, der sie diesen Namen verdankten, aber schon längst vergessen hatten.
»Der Djihad«, murmelte Leto, »war eine Massenpsychose. Er war ein kollektiver Wahnsinn.«
»Wie?« Sabiha, die sich den ganzen Weg über schärfstens darauf konzentrierte, Leto ohne einen bestimmten Rhythmus hervorzurufen ausschreiten zu lassen, sah kurz auf. Sie hatte seine Worte zwar gehört, kam aber schnell zum Schluß, daß auch sie nichts weiter waren als ein Ausdruck seiner offensichtlichen Geistesabwesenheit. Sie fühlte die von dem Trancezustand erzeugte Schwäche in ihm und empfand das, was man mit ihm angestellt hatte, als grausam und sinnlos. Wenn er sowieso, wie Namri gesagt hatte, getötet werden mußte, hätte man es besser gleich und schnell und ohne all diese Verzögerungen getan. Aber Leto hatte von einer ungeheuren Enthüllung gesprochen. Vielleicht war es das, was Namri interessierte. Und sicherlich war dies auch das Motiv hinter dem Verhalten der Großmutter dieses Kindes. Warum sonst würde die Lady der Dünen ihre Einwilligung für die Behandlung eines Kindes geben?
Ein Kind?
Erneut erinnerte sie sich an seine Worte. Sie hatten jetzt die Wand erreicht. Sabiha hielt an und ließ Leto in der Sicherheit der Felsen zu sich selbst finden. Während das matte Licht der Dämmerung sie beschien, fragte sie: »Wie könnte es dazu kommen, daß es keine Würmer mehr gibt?«
»Nur ich kann das verhindern«, erwiderte Leto. »Fürchte dich nicht. Ich kann alles verhindern.«
»Aber ...«
»Auf manche Fragen gibt es keine Antworten«, sagte er. »Ich habe diese Zukunft gesehen, aber die Widersprüche würden dich nur verwirren. Wir leben in einem sich verändernden Universum und sind selbst die Kraft, die sich am meisten verändert hat. Wir sind vielen Einflüssen unterworfen. Unsere Zukünfte erfordern es, auf den neuesten Stand gebracht zu werden. Aber es gibt eine Barriere, die wir überwinden müssen. Sie erfordert, daß wir brutale Dinge tun, daß wir uns gegen etwas wenden, was tief in uns verankert ist ... Aber wir haben keine andere Wahl.«
»Was muß getan werden?«
»Hast du jemals einen Freund umgebracht?« fragte Leto, drehte sich um und nahm den Weg, der sie geradewegs zum versteckten Eingang des Sietchs bringen würde. Er bewegte sich so schnell, wie es sein Zustand erlaubte, aber Sabiha war sofort hinter ihm, packte seine Robe und zwang ihn zum Stehenbleiben.
»Was hat das zu bedeuten, einen Freund umzubringen?«
»Er wird sowieso sterben«, erwiderte Leto. »Ich werde ihn zwar nicht töten, aber ich werde es auch nicht verhindern. Ist das nicht dasselbe wie ihn umzubringen?«
»Wer ...? Wer wird sterben?«
»Die Alternativen verpflichten mich zum Schweigen«, sagte Leto. »Sonst würde ich meine Schwester einem Ungeheuer ausliefern.«
Erneut wandte er sich von ihr ab. Als sie diesmal an seiner Robe zerrte, widerstand Leto ihr und ließ ihre Fragen unbeantwortet.
Es ist besser, wenn sie nichts weiß, bis die Zeit gekommen ist, dachte er.
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Man hat die natürliche Auslese in der Weise beschrieben, daß die Umwelt auf die Fortpflanzung der Arten wie ein Sieb wirkt. Soweit das den Menschen betrifft, ist dieser Standpunkt von extremer Kurzsichtigkeit. Fortpflanzung durch Geschlechtlichkeit zielt auf Experiment und Innovation ab. Sie wirft zudem viele Fragen auf, einschließlich jener uralten, ob die Umwelt selbst eine selektiv wirkende Kraft ist oder aufgrund der Tatsache, daß sie selbst durch Selektionsstadien gelaufen ist, für alles auf ihr Lebende die optimalen Lebensgrundlagen bietet. Auch der Wüstenplanet konnte auf diese Fragen keine befriedigenden Antworten geben. Er warf lediglich neue auf, die Leto und die Schwesternschaft über die nächsten fünfhundert Generationen zu beantworten versuchen
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