Dune 04: Der Gottkaiser des Wüstenplaneten
Herr ...«
»Die Irrungen unserer Vergangenheit sind zahlreicher, als du denkst!«
»Ja, Herr.« Moneo war zwar verblüfft, aber immer noch neugierig. Und er wußte, daß der Gott-Kaiser manchmal nach dem Tod eines Duncan heftige Wutanfälle bekam. »Ihr müßt viele Revolten gesehen haben, Herr.«
Seine Worte führten dazu, daß Leto unwillkürlich in Erinnerungen versank.
»Ahhh, Moneo«, murmelte er. »Meine Reisen in die Irrgärten der Urzeit haben unzählige Orte und Ereignisse berührt, die ich niemals wiedersehen möchte.«
»Ich kann mir Eure Innenreisen vorstellen, Herr.«
»Nein, das kannst du nicht. Ich habe so viele Menschen und Planeten gesehen, daß sie – selbst wenn man sie sich vorstellt – schon jegliche Bedeutung verlieren. Ohhh, die Landschaften, die ich durchquerte. Die Koordinaten der Routen des befahrenen Raums sind in mein Innerstes eingebrannt. Die erodierten Skulpturen von Schluchten und Klippen und Galaxien haben in mir den unauslöschlichen Eindruck hervorgerufen, daß ich nicht mehr als ein Stäubchen bin.«
»Nicht Ihr, Herr. Ihr ganz gewiß nicht.«
»Weniger als ein Stäubchen! Ich habe Menschen und ihre zu nichts führenden Gesellschaftsformen dermaßen oft beobachtet, daß ihr Unsinn mich mit Langeweile erfüllt, verstehst du das?«
»Ich wollte Euch nicht verärgern, Herr«, versicherte Moneo.
»Du verärgerst mich nicht. Manchmal irritierst du mich, aber dafür kannst du nichts. Du kannst dir nicht vorstellen, was ich gesehen habe – Kalifen und Mjeeds, Maharadschas und Bashars, Könige und Kaiser, Primitos und Präsidenten. Ich habe sie alle gesehen. Feudalistische Häuptlinge, alle miteinander. Jeder ein kleiner Pharao.«
»Vergebt mir meine Anmaßung, Herr.«
»Verfluchte Römer!« schrie Leto.
Nach innen gewandt schrie er seinen Vorfahren zu: »Verdammte Römer!«
Ihr Gelächter trieb ihn wieder nach draußen.
»Ich verstehe nicht, Herr«, sagte Moneo mutig.
»Das stimmt. Du verstehst nicht. Die Römer verbreiteten die Pharaonenkrankheit wie ein Bauer seine Saat, weil er im nächsten Jahr eine gute Ernte haben will: Cäsaren, Kaiser, Zaren, Imperatoren, Caseris, Palatos ... Verdammte Pharaos!«
»Mein Wissen umfaßt nicht alle diese Titel, Herr.«
»Ich bin vielleicht der letzte dieser Gruppe, Moneo. Bete darum!«
»Ganz wie Ihr befehlt, Herr.«
Leto starrte auf den Mann hinab. »Wir, Moneo, du und ich – wir sind Mythenkiller. Das ist der Traum, den wir beide träumen. Vom Sitz der Götter auf dem Olymp herab versichere ich dir, daß die Regierungsgewalt eine allgemeine Mythe ist. Wenn diese Mythe stirbt, gibt es auch keine Regierung mehr.«
»Wie Ihr es mich gelehrt habt, Herr.«
»Es war jene Mensch-Maschine, die Armee, die unseren gegenwärtigen Traum geschaffen hat, mein Freund.«
Moneo räusperte sich.
Leto erkannte gewisse Anzeichen von Ungeduld bei seinem Majordomus.
Moneo versteht etwas von Armeen. Er weiß, daß nur Narren daran glauben, daß Armeen das Basisinstrumentarium der Regierenden waren.
Da Leto weiterhin schwieg, ging Moneo zu der auf dem Kryptaboden liegenden Lasgun hinüber, hob sie auf und machte sie unbrauchbar.
Leto, der ihn dabei beobachtete, dachte, wie diese winzigkleine Szene die Essenz des Armeenmythos umschloß. Die Armee unterstützte die Techniker, weil die Macht der Maschinen den Kurzsichtigen offensichtlich zu sein schien.
Diese Lasgun ist nicht mehr als eine Maschine. Aber alle Maschinen können versagen oder übertroffen werden. Und dennoch verehrt das Militär die Produktionsstätten solcher Dinge. Es empfindet in seiner Nähe gleichermaßen Faszination und Angst. In seinem tiefsten Inneren weiß das Militär, daß es einem Zauberlehrling ähnelt. Sobald es die Technik von der Leine gelassen hat, ist es unmöglich, die Magie wieder in einer Flasche zu verwahren.
Ich lehre sie eine andere Magie.
Und dann sagte Leto zu den Horden in seinem Innern:
»Seht ihr? Moneo hat das tödliche Instrument unbrauchbar gemacht. Man unterbricht hier eine Verbindung und zerdrückt dort eine kleine Kapsel.«
Leto schnupperte. Er roch die Säuren eines beständigen Ölfilms, der Moneos Schwitzen überdeckte.
In Gedanken versunken sagte er: »Aber das Genie ist nicht tot. Die Technik ruft Anarchie hervor. Sie drängt den Menschen an den Rand. Und damit provoziert sie Gewalt. Die Möglichkeit, brutale Zerstörer zu schaffen und einzusetzen, fällt damit unweigerlich in die Hände immer kleiner werdender Gruppierungen, bis die
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