Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
herangezogen und ausgebildet worden waren, sich mit Körperkraft durchzusetzen. Sie blieben in Tarazas Nähe. Waff war von einer gleichstarken Gruppe von Gestaltwandlern umgeben.
Man hatte sich im Penthouse auf dem Dach des Museums von Dar-es-Balat getroffen, in einem langen Raum mit einer Plaz-Wand, die nach Westen zeigte. Dahinter breitete sich ein grüner, blühender Dachgarten aus. Der Raum war mit weichen Sofas ausgestattet und mit Kunstgegenständen aus dem Nicht-Raum des Tyrannen geschmückt.
Odrade hatte sich dagegen ausgesprochen, Sheeana in dieses Treffen einzubeziehen, aber Taraza war unerbittlich geblieben. Die Wirkung, die das Mädchen auf Waff und einen Teil der Priesterschaft ausübte, würde sich für die Bene Gesserit zu einem erheblichen Vorteil auswachsen.
Man hatte einen Dolban-Schirm über die lange Fensterwand gezogen, um sich die schlimmsten Auswirkungen der im Westen stehenden Sonne vom Leibe zu halten. Es war sehr aufschlußreich für Odrade, daß der Raum nach Westen wies. Die Fenster überschauten das Land der Abenddämmerung – in dem sich der Shai-Hulud zur Ruhe legte. Es war ein Raum, der in die Vergangenheit blickte – auf den Tod.
Sie bewunderte die Dolbane. Es waren flache, schwarze Leisten, zehn Moleküle breit, und sie rotierten in einem transparenten, flüssigen Medium. Stellte man sie auf Automatik, erzeugten die besten ixianischen Dolbane einen vorherbestimmten Lichteinfall, ohne einem die Sicht zu versperren. Odrade wußte, daß Künstler und Antiquitätenhändler sie lieber benutzten als herkömmliche Systeme, denn sie ließen das volle Spektrum des vorhandenen Lichts herein. Daß man sie hier installiert hatte, deutete an, welchen Zwecken dieser Raum diente. Er war ein Schaukasten der wertvollsten Reliquien des Gott-Kaisers. Ja, da war auch das Gewand, das seine Braut getragen hatte.
Die priesterlichen Ratsmitglieder stritten sich am anderen Ende des Raums. Sie ignorierten den falschen Tuek. Taraza stand in ihrer Nähe und hörte zu. Ihr Gesichtsausdruck sagte, daß sie die Priester für ausgemachte Narren hielt.
Waff stand mit seinem Gestaltwandler-Gefolge in der Nähe der breiten Eingangstür. Seine Aufmerksamkeit wanderte von Sheeana über Odrade zu Taraza und wandte sich nur gelegentlich den streitenden Priestern zu. Jede Bewegung, die Waff machte, verriet seine Unsicherheit. Würden die Bene Gesserit ihn wirklich unterstützen? Konnten sie zusammen die rakisianische Opposition mit friedlichen Mitteln von der Bildfläche verdrängen?
Sheeana – und mit ihr die sie abschirmende Eskorte – stand plötzlich an Odrades Seite. Die Muskulatur des Mädchens, stellte Odrade fest, war zwar immer noch kindhaft, aber allmählich setzte Sheeana Fleisch an, und ihre Kräfte deckten sich mit denen einer angehenden Bene Gesserit. Die hohen Wangenknochen unter der olivfarbenen Haut wirkten jetzt etwas fülliger. Sheeanas braune Augen glänzten mehr als zuvor, aber ihr Haar wies immer noch hellrote Streifen auf. Die Aufmerksamkeit, mit der sie die streitenden Priester bedachte, zeigte, daß sie das, was man ihr enthüllt hatte, dann auch verarbeitete.
»Werden sie wirklich übereinander herfallen?« fragte sie flüsternd.
»Hör ihnen zu!« erwiderte Odrade.
»Was wird die Mutter Oberin tun?«
»Behalte sie sorgfältig im Auge!«
Zusammen musterten sie Taraza, die von ihren muskulösen Helferinnen umgeben war. Sie beobachtete fortwährend die Priester und schien sich nun köstlich zu amüsieren.
Die Rakisianer hatten ihren Streit draußen auf dem Dachgarten angefangen. Und sobald die Schatten länger geworden waren, hatten sie ihn hier drin fortgesetzt. Sie keuchten wütend, murmelten manchmal vor sich hin, und dann wurden sie wieder laut. Sahen sie überhaupt nicht, wie der falsche Tuek sie beobachtete?
Odrade wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Horizont zu, der hinter dem Rand des Dachgartens sichtbar war: es gab dort draußen in der Wüste kein Anzeichen von Leben. Wohin man von Dar-es-Balat aus auch blickte, überall bekam man nur Sand zu Gesicht. Die Menschen, die hier geboren und aufgewachsen waren, sahen das Leben und ihren Planeten aus einem anderen Blickwinkel als die priesterlichen Ratsmitglieder. Dies hier war nicht die Zone der Grüngürtel und bewässerten Oasen, die in den höheren Breitengraden wie ausgestreckte Finger in das Wüstengebiet hineingriffen. Dar-es-Balat war von einer Sandlandschaft umgeben, die sich wie eine Klammer um den Äquator des
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