Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
Nasenflügel und ihr vorgeschobenes Kinn. Ihre Bewegungen hatten einen inneren Anspruch ausgedrückt, zu dem ihre Jugend nicht paßte.
Der Tanz ist ihre Sprache, dachte Taraza. Odrade hat vollkommen recht. Wenn wir ihn uns ansehen, werden wir sie lernen.
Waff wirkte an diesem Morgen etwas zugeknöpft. Es war schwer zu sagen, ob sein Blick nach außen oder nach innen gerichtet war.
Tulushan war mit ihm gekommen – ein dunkelhäutiger, gutaussehender Rakisianer, der auserwählte Repräsentant der Priesterschaft, der am ›heiligen Ereignis‹ des heutigen Tages teilnehmen sollte. Taraza, die ihn während der Tanzdemonstration kennengelernt hatte, war äußerst erstaunt über seine Fähigkeit, niemals das Wort ›aber‹ in den Mund zu nehmen – obwohl dieses Wort in jedem Satz enthalten war, den er äußerte. Ein perfekter Bürokrat. Mit Recht ging er davon aus, daß er es noch weit bringen würde, aber bald würden seine Erwartungen ihrer letztendlichen Überraschung entgegensehen. Wenn sie daran dachte, verspürte sie kein Mitleid. Tulushan war ein weichgesichtiger junger Mann, der für eine Vertrauensstellung dieser Art zu wenig mitbrachte. Natürlich war er mehr als jemand, mit dem man lediglich einen Blick tauschte. Aber viel mehr nicht.
Waff hielt sich im Garten abseits. Er ließ Odrade und Taraza mit Tulushan allein.
Der junge Priester war natürlich entbehrlich. Es war sehr aufschlußreich, daß man gerade ihn für das Unternehmen ausgewählt hatte. Für Taraza stand damit fest, daß sie damit die passende Ebene eines potentiellen Gewaltaktes erreicht hatte. Sie glaubte jedoch nicht, daß es eine der Priester-Fraktionen wagen würde, Sheeana etwas anzutun.
Wir werden in ihrer Nähe bleiben.
Seit der Demonstration der sexuellen Leistungsfähigkeit der Huren hatten sie eine arbeitsreiche Woche hinter sich gebracht. Eine äußerst verwirrende Woche, wenn man es genau nahm. Odrade war mit Sheeana beschäftigt gewesen. Taraza hätte es zwar lieber gesehen, wenn sich Lucilla dieser Aufgabe angenommen hätte, aber man mußte eben mit dem auskommen, was einem zur Verfügung stand – und was eine Schulung dieser Art anging, war Odrade die beste Lehrerin, die es auf Rakis gab.
Taraza warf einen Blick auf die Wüste zurück. Sie hatten auf die Thopter aus Keen und deren aus Sehr Wichtigen Beobachtern bestehende Fracht gewartet. Die SWBs hatten sich zwar nicht gerade verspätet, aber sie waren zahlreich gewesen, wie es bei solchen Leuten immer der Fall war.
Sheeana schien ihre Sexualerziehung bestens zu bewältigen, obwohl laut Tarazas Einschätzung die auf Rakis zur Verfügung stehenden männlichen Schulungsobjekte der Schwesternschaft dünn gesät sein mußten. In ihrer ersten Nacht auf dieser Welt hatte sie selbst einen der dienenden Männer zu sich gerufen. Hinterher war sie zu der Erkenntnis gelangt, daß es bezüglich der geringen Freude und des Vergessens, das dies ihr gab, zuviel Aufwand erforderte. Außerdem: Was hatte sie zu vergessen? Etwas zu vergessen bedeutete, sich einer Schwäche hinzugeben.
Vergiß niemals!
Das jedoch taten die Huren. Sie handelten geradezu mit der Vergeßlichkeit. Und ihnen war nicht einmal ansatzweise bewußt, daß der Tyrann immer noch das Schicksal der Menschheit steuerte. Ihnen war nicht einmal klar, daß es galt, den Griff des Tyrannen abzuschütteln.
Taraza hatte am vergangenen Tag heimlich dem Unterricht gelauscht, den Odrade Sheeana erteilt hatte.
Wonach habe ich gelauscht?
Das junge Mädchen und die Lehrerin waren draußen auf dem Dachgarten gewesen. Sie hatten einander auf zwei Bänken gegenübergesessen, und ein tragbarer ixianischer Dämpfer hatte ihre Worte für jeden unverständlich gemacht, der nicht ein codiertes Übersetzungsgerät besaß. Der auf Suspensoren schwebende Dämpfer hielt sich über ihnen wie ein seltsam geformter Regenschirm – eine schwarze Scheibe, die Störungen erzeugte, um die Bewegungen ihrer Lippen und den Klang ihrer Stimmen zu verzerren.
Auf Taraza, die sich in dem langgezogenen Konferenzraum aufhielt (das winzige Übersetzungsgerät steckte in ihrem linken Ohr), hatte die Stunde gleichermaßen wie eine verzerrte Erinnerung gewirkt.
Als man mich diese Dinge lehrte, wußten wir noch nicht, wozu die Huren der Diaspora fähig sind.
»Warum spricht man von der Kompliziertheit der Sexualität?« fragte Sheeana. »Der Mann, den du mir vergangene Nacht schicktest, sprach unentwegt davon.«
»Viele glauben, daß sie sie verstehen,
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