Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
an einen kuscheln«, erwiderte Odrade. »Können wir nicht hier reden?« Sie hakte sich bei Teg ein. »Vielleicht könnten wir dabei ein bißchen gehen. Die Sitzerei im Leichter hat mich ganz steif gemacht.«
»Was sollst du mir erzählen?« fragte er, als sie dahinschlenderten.
»Meine Erinnerungen sind nicht mehr selektiv gefiltert«, sagte sie. »Ich habe sie alle – natürlich nur die der weiblichen Seite.«
»So?« Teg schürzte die Lippen. Dies war nun nicht gerade die Ouvertüre, die er erwartet hatte. Odrade war ihm eher wie jemand erschienen, der nicht unbedingt auf geradem Weg zur Sache kam.
»Taraza sagt, du hättest das Atreides-Manifest gelesen. Gut. Du weißt, daß es in vielen Gegenden Verstimmungen hervorrufen wird.«
»Schwangyu hat es schon zum Gegenstand einer Hetzkampagne gegen ›euch Atreides‹ gemacht.«
Odrade sah ihn ernst an. In Übereinstimmung mit sämtlichen Berichten war Teg eine imposante Figur geblieben, aber das hatte sie auch so gewußt.
»Wir sind beide Atreides, du und ich«, sagte Odrade.
Teg fühlte sich sofort in Alarmzustand versetzt.
»Deine Mutter hat es dir in aller Ausführlichkeit erläutert«, sagte sie, »als du in den ersten Schulferien zurück nach Lernaeus kamst.«
Teg blieb stehen und sah auf sie hinab. Wie konnte sie das wissen? Soweit er sich erinnern konnte, war er dieser entfernten Verwandten namens Odrade nie begegnet. Und er hatte auch nie mit ihr gesprochen. Hatte man etwa im Domstift über ihn geredet? Er schwieg weiterhin und zwang sie so, das Gespräch wieder aufzunehmen.
»Ich erinnere mich an ein Gespräch zwischen einem Mann und meiner Geburtsmutter«, sagte Odrade. »Sie liegen im Bett, und der Mann sagt: ›Früher, als ich mich für einen unabhängigen Menschen hielt, der in die Dienste eines jeden treten und kämpfen konnte, wo er wollte – als ich der Umarmung der Bene Gesserit erstmals entkam, habe ich einige Kinder gezeugt.‹«
Teg versuchte nicht, seine Überraschung zu verbergen. Seine eigenen Worte! Seine Mentat-Erinnerung sagte ihm, daß Odrade sie wortwörtlich wiedergegeben hatte – wie ein mechanisches Aufzeichnungsgerät. Sogar der Tonfall stimmte!
»Noch etwas?« fragte sie, als er sie nur anstarrte. »Na schön. Der Mann sagt: ›Das war natürlich, bevor man mich zur Mentatenausbildung schickte. Wie es mir die Augen geöffnet hat! Ich bin nie auch nur einen Moment lang unbeobachtet geblieben. Ich war niemals ein freier Mensch.‹«
»Ich war es nicht einmal, als ich dies sagte«, gestand Teg.
»Stimmt.« Mit einem Druck auf seinen Arm veranlaßte sie ihn, weiterzugehen. »Die Kinder, die du gezeugt hast, gehörten der Bene Gesserit. Die Schwesternschaft riskiert es nicht, daß unser Gentyp außer Kontrolle gerät.«
»Selbst wenn man Shaitan meinen Leib vorwirft, über ihren kostbaren Gentyp wachen sie immer noch«, sagte Teg.
»Und ich«, sagte Odrade. »Ich bin eine deiner Töchter.«
Erneut zwang er sie zu einem Halt.
»Ich glaube, du weißt, wer meine Mutter war«, sagte sie, und als er antworten wollte, brachte sie ihn mit erhobener Hand zum Schweigen. »Namen sind nicht nötig.«
Teg musterte Odrades Züge. Er sah deutliche Hinweise. Mutter und Tochter waren einander gleich. Aber was war mit Lucilla?
Als hätte sie seine Frage gehört, sagte Odrade: »Lucilla entstammt einer parallelen Zuchtlinie. Ist es nicht bemerkenswert, was ein sorgfältiges Zuchtprogramm hervorbringen kann?«
Teg räusperte sich. Er fühlte sich keineswegs emotional zu der Frau hingezogen, die sich als seine Tochter zu erkennen gegeben hatte. Es waren ihre Worte und andere wichtige Gesten ihrer Haltung, die vorrangig seine Aufmerksamkeit erweckten.
»Dieses Gespräch«, sagte Teg, »hat doch einen Hintergrund. Ist das alles, was du mir zu sagen hast? Ich dachte, die Mutter Oberin hätte gesagt ...«
»Es geht um mehr«, gab Odrade zu. »Das Manifest – ich habe es geschrieben. Ich schrieb es auf Tarazas Anweisung hin und bin dabei ihren detaillierten Instruktionen gefolgt.«
Teg sah sich in der großen Halle um, als wolle er sichergehen, daß niemand sie belauschte. Dann sagte er leise: »Die Tleilaxu verbreiten es überall!«
»Genau wie wir gehofft haben.«
»Warum erzählst du mir das? Taraza hat gesagt, du solltest mich vorbereiten auf ...«
»Irgendwann ist der Zeitpunkt da, zu dem du unsere Ziele kennen mußt. Taraza wünscht, daß du dann deine eigenen Entscheidungen triffst, daß du wirklich zu einem freien Menschen
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