Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
mit ihm durch die Halle zurückschlenderte, schwieg sie doch.
Obwohl sie gewußt hatte, was Teg sagen würde, taten seine Worte ihr weh. Sie spürte den Wunsch, ihm zu sagen, daß sie noch immer menschliche Regungen hatte, aber sein Urteil über die Schwesternschaft war damit nicht aus der Welt.
Man hat uns gelehrt, Liebe zurückzuweisen. Wir können sie simulieren, aber jede von uns kann sie von einem Moment zum anderen erkalten lassen.
Hinter ihnen erklangen Geräusche. Sie blieben stehen und wandten sich um. Lucilla und Taraza entstiegen einer Liftröhre und unterhielten sich über ihre Beobachtung des Gholas.
»Du hast absolut recht, wenn du ihn wie einen von uns behandelst«, sagte Taraza.
Teg hörte zu, gab aber keinen Kommentar ab, während sie auf die sich nähernden Frauen warteten.
Er weiß es, dachte Odrade. Er wird mich nicht nach meiner Geburtsmutter fragen. Es gab keine Bindung, keine echte Einprägung. Ja, er weiß es.
Sie schloß die Augen, und ihre Erinnerung verblüffte sie damit, daß sie aus sich selbst heraus das Abbild eines Gemäldes reproduzierte. Es hing an einer Wand in Tarazas Morgenzimmer. Ein ixianisches Wundermittel hatte das Gemälde in seinem feinen, versiegelten Rahmen hinter einer unsichtbaren Folie bewahrt. Odrade hatte sehr oft vor diesem Gemälde gestanden, und jedesmal hatte sie den Drang unterdrücken müssen, die uralte Leinwand, die das ixianische Konservierungsmittel erhielt, zu berühren.
Landhäuser bei Cordeville.
Der Titel des Bildes und der Name des Künstlers waren auf einer polierten Plakette unter dem Bild angebracht: Vincent van Gogh.
Das Bild stammte aus einer Zeit, die so lange zurücklag, daß nur noch seltene Überbleibsel wie dieses Gemälde geblieben waren, um einem einen physischen Eindruck jener Zeitalter zu vermitteln. Sie hatte sich vorzustellen versucht, welchen Weg das Gemälde gegangen war, bis der Zufall es intakt in Tarazas Zimmer gebracht hatte.
Die Ixianer hatten ihr Bestes getan, um es zu restaurieren und zu erhalten. Wer genau hinsah, konnte in der unteren linken Ecke des Rahmens einen dunklen Fleck ausmachen. Man wurde sich der Tatsache sofort bewußt, daß hier zwei Genies am Werk gewesen waren: nicht nur der Künstler, sondern auch der Ixianer, der das Werk vor dem Verfall bewahrt hatte. Sein Name stand auf dem Rahmen: Martin Buro. Berührte man den Fleck mit dem Finger, verwandelte er sich in einen Sinnesprojektor – ein hilfsbereites Nebenprodukt jener Technik, die auch die ixianische Sonde hervorgebracht hatte. Buro hatte nicht nur das Gemälde restauriert, sondern auch den Maler – die Gefühle, die van Gogh bei jedem Pinselstrich begleitet hatten. All dies war in seinen Pinselstrichen enthalten; sie hatten die Bewegungen des menschlichen Körpers aufgezeichnet.
Odrade hatte so oft vor dem Bild gestanden und es auf sich einwirken lassen, daß sie glaubte, sie könne es unabhängig von der Vorlage kopieren.
Als sie sich dieser Erkenntnis kurz nach Tegs Beschuldigung bewußt wurde, wußte sie sofort, warum ihr Gedächtnis dieses Abbild produziert hatte und das Gemälde sie noch immer faszinierte. In diesen kurzen Momenten der Erinnerung fühlte sie sich stets völlig menschlich. Sie war sich der Landhäuser ebenso bewußt wie der Orte, in denen echte Menschen gelebt hatten. Sie wußte, daß sich hier eine Lebenskette fortsetzte, die in der Person des verrückten Vincent van Gogh eine Pause gemacht hatte, um sich selbst zu verewigen.
Taraza und Lucilla hielten zwei Schritte vor Teg und Odrade an. Tarazas Atem zeugte von leichtem Knoblauchgeruch.
»Wir haben rasch noch einen Bissen zu uns genommen«, sagte sie. »Möchtet ihr auch noch etwas?«
Es war genau die falsche Frage. Odrade löste ihre Hand von Tegs Arm. Sie wandte sich ab und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. Als sie sich Teg wieder zuwandte, sah sie Überraschung in seinem Gesicht. Ja, dachte sie, diese Tränen waren echt!
»Ich glaube, wir haben alles getan, was wir hier tun konnten«, sagte Taraza. »Du solltest schon auf dem Weg nach Rakis sein, Dar.«
»Schon lange«, sagte Odrade.
15
Das Leben kennt keine Gründe, weshalb es erhalten werden sollte. Es kann auch keine Quelle wechselseitiger Betrachtung sein – außer wir entschließen uns alle dazu, ihm diese Qualitäten einzuhauchen.
Chenoeh:
»Gespräche mit Leto II.«
Hedley Tuek, der Hohepriester des Zerlegten Gottes, wurde immer wütender auf Stiros. Obwohl er selbst viel zu alt
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