Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
Gesserit-Archiv
Als Teg vom Gildenschiff nach Gammu zurückkehrte, waren seine Gedanken in Unordnung. Er stieg am schwarzrußigen Rand der privaten Festungslandebahn aus dem Leichter und sah sich um, als wäre er zum ersten Mal hier. Es war fast Mittag. So wenig Zeit war vergangen, und doch war so viel passiert.
Er fragte sich, wie weit die Bene Gesserit gehen würden, um jemandem eine grundlegende Lektion zu erteilen. Taraza hatte ihn aus dem geistigen Verarbeitungsprozeß eines Mentaten herausgeholt. Er hatte das Gefühl, als sei der gesamte Zwischenfall auf dem Gildenschiff ausschließlich für ihn inszeniert worden. Man hatte ihn von einem vorhersehbaren Kurs abgebracht. Wie seltsam Gammu ihm erschien, als er den bewachten Weg zu den Eingangsschächten überquerte.
Teg hatte viele Planeten gesehen. Er hatte ihre Eigenarten kennengelernt und wußte, auf welche Weise sie ihren Bewohnern einen Stempel aufdrückten. Manche Planeten hatten eine große, gelbe Sonne, die ihnen ziemlich nahe war und alles Leben wärmte, entwickelte und wachsen ließ. Andere Planeten hatten kleine Glitzersonnen, die in weiter Ferne in dunklen Himmeln schwebten, und deren Licht wenig berührte. Innerhalb und außerhalb dieses Bereichs gab es allerlei Variationen. Gammu war eine gelbgrüne Variante, mit einem Tag, der 31:27 Standardstunden dauerte. Der Planet umkreiste seine Sonne in 2,6 Standardjahren. Teg hatte geglaubt, daß er Gammu kannte.
Als man die Harkonnens gezwungen hatte, ihn aufzugeben, waren beim Auszug in die Diaspora zurückgelassene Kolonisten aus der Dan-Gruppe gekommen und hatten ihm den Halleck-Namen gegeben – damals, während der großen Kartenreform. Man hatte die Kolonisten seinerzeit Caladanier genannt, aber die Jahrtausende hatten dazu beigetragen, manche Bezeichnungen zu verkürzen.
Am Eingang zu den Abwehrsystemen, die von der Landebahn aus unter die Festung führten, blieb Teg stehen. Taraza und ihr Gefolge waren noch weit hinter ihm. Taraza unterhielt sich eindringlich mit Odrade.
Das Atreides-Manifest, dachte er.
Selbst auf Gammu gaben nur wenige zu, Harkonnen- oder Atreides-Nachfahren zu sein, obwohl die Genotypen erkennbar waren – besonders die der dominierenden Atreides. Sie hatten eine lange, scharfgeschnittene Nase, eine hohe Stirn und einen sinnlichen Mund. Oft fand man diese Merkmale auch verstreut vor: hier den Mund, dort den eindringlichen Blick. Und zahllose Mischungen. Manchmal jedoch wies jemand sämtliche dieser Anzeichen auf, und dann sah man auch den Stolz, das innere Wissen: »Ich bin einer von ihnen!«
Die Eingeborenen von Gammu nahmen es zwar zur Kenntnis, aber nur wenige redeten darüber.
Die Grundlage all dessen war das, was die Harkonnens zurückgelassen hatten – genetische Linien, deren Spuren sich im Dunkel der Zeiten bei den Griechen, Pathanern und Mamelukken verloren, Schatten einer uralten Geschichte, deren Namen außer berufsmäßigen Historikern und solchen, die die Bene Gesserit ausgebildet hatten, nur wenige kannten.
Taraza und ihr Gefolge holten Teg ein. Er hörte, wie sie zu Odrade sagte: »Das mußt du Teg alles erzählen.«
Na schön, sie würde ihm also alles erzählen, dachte er. Er drehte sich um und führte sie an den Innenwachen vorbei in den langen Gang und unter den MG-Nestern hindurch in die Festung.
Verdammt sollen sie sein! dachte er. Was tun sie wirklich hier auf Gammu?
Man konnte auf diesem Planeten zahlreiche Merkmale der Bene Gesserit sehen: Rückzüchtungen, um bestimmte Charaktereigenschaften zu bewahren, und hie und da – bei den Frauen – einen sichtlichen Schwerpunkt bezüglich verführerischer Augen.
Teg erwiderte die Begrüßung eines Hauptmanns der Wache, ohne zur Seite zu sehen. Verführerische Augen, ja. Er hatte dies gleich nach seiner Ankunft in der Festung des Gholas und besonders während der ersten Inspektionsreise auf diesem Planeten gesehen. Und er hatte sich in vielen Gesichtern wiedergesehen, wobei ihm etwas aufgefallen war, das Patrin des öfteren erwähnt hatte.
»Sie haben einen Gammu-Blick, Bashar.«
Verführerische Augen! Der weibliche Wachhauptmann, der ihm eben begegnet war, hatte sie auch. Sie, Odrade und Lucilla waren sich darin gleich. Nur wenige Leute zollten den Augen gebührende Aufmerksamkeit, wenn eine Verführung anstand, machte er sich klar. Es bedurfte einer Bene Gesserit-Erziehung, um sich diesen Punkt bewußt zu machen. Bei Frauen waren ein üppiger Busen und bei Männern starke Lenden bei
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