Dune 06: Die Ordensburg des Wüstenplaneten
würde, sie offenzulegen. Eine Zügellosigkeit, der wir noch nicht nachgegangen sind. Es war, als wäre Murbellas ursprüngliche Klarheit unauslöschlich befleckt worden; als wäre dieser Fleck mehrfach übertüncht und anschließend noch getarnt worden. In ihr war eine Rauheit, die Gedanken und Handlungen ablenkte. Schicht auf Schicht auf Schicht ...
»Sie haben Angst vor dem, was ich kann«, sagte Murbella.
»In dem, was Sie sagen, ist Wahrheit«, stimmte Odrade zu.
Ehrlichkeit und Offenheit – Werkzeuge, die ihre Grenzen haben, und jetzt nur mit Vorsicht anzuwenden sind.
»Duncan.« Murbellas Stimme klang flach mit den neuen Bene Gesserit-Fähigkeiten.
»Ich fürchte, was Sie mit ihm teilen. Finden Sie es seltsam, daß die Mutter Oberin Furcht eingesteht?«
»Ich weiß von Offenheit und Ehrlichkeit!« So wie sie es aussprach, hörte es sich widerwärtig an.
»Ehrwürdigen Müttern wird beigebracht, das Ich niemals preiszugeben. Wir sind darauf trainiert, uns nicht auf diese Weise mit den Sorgen Dritter zu belasten.«
»Ist das alles?«
»Es geht tiefer und hat noch andere Gründe. Das Bene Gesserit-Dasein drückt einem seinen Stempel auf.«
»Ich weiß, worum es Ihnen geht: Ich soll mich zwischen Duncan und der Schwesternschaft entscheiden. Ich kenne Ihre Tricks.«
»Das glaube ich nicht.«
»Es gibt Dinge, die ich nicht tun werde!«
»Jeder von uns wird von seiner Vergangenheit genötigt. Ich treffe meine Wahl und tue das, was ich tun muß, weil sich meine Vergangenheit von der Ihren unterscheidet.«
»Sie bilden mich weiterhin aus – dem zum Trotz, was ich gerade gesagt habe?«
Odrade hörte dies in der totalen Aufnahmebereitschaft, die die Begegnungen mit Murbella verlangten. Jeder ihrer Sinne war dem gegenüber wachsam, was nicht ausgesprochen wurde – jenen Botschaften, die an den Rändern der Wörter schwebten, als wären sie zwinkernde Wimperhärchen, die mit einem gefährlichen Universum Kontakt aufnehmen wollten.
Die Bene Gesserit müssen ihre Vorgehensweise ändern. Und hier ist jemand, der uns in diese Veränderung hineinführen könnte.
Diese Aussichten würden Bellonda entsetzen. Viele Schwestern würden sie ablehnen. Aber es war so.
Da Odrade schwieg, sagte Murbella: »Trainiert. Ist dies das passende Wort?«
»Konditioniert. Das ist Ihnen sicher vertrauter.«
»In Wirklichkeit wollen Sie unsere Erfahrungen vereinigen und mich Ihnen anpassen, damit wir Vertrauen zwischen uns hervorrufen können. Darauf läuft Erziehung doch immer hinaus.«
Spiel keine gelehrten Spielchen mit mir, Mädchen!
»Wir würden dann im gleichen Strom fließen, Murbella, wie?«
Jede Akoluthe im Dritten Stadium wäre äußerst wachsam geworden, hätte sie dergleichen Worte von der Mutter Oberin gehört. Murbella jedoch schien unbewegt. »Abgesehen davon, daß ich ihn nicht aufgeben werde.«
»Es ist Ihre Entscheidung.«
»Haben Sie Lady Jessica auch selbst entscheiden lassen?«
Endlich ein Ausweg aus dieser Sackgasse.
Duncan hatte Murbella angehalten, das Leben Jessicas zu studieren. Um uns einen Strich durch die Rechnung zu machen! Die Holos seines Unternehmens hatten zu einer ernsthaften Analyse der Aufzeichnungen geführt.
»Eine interessante Gestalt«, sagte Odrade.
»Liebe! Nach all euren Lehren, nach der Konditionierung!«
»Sie halten Ihr Benehmen nicht für verräterisch?«
»Niemals!«
Jetzt vorsichtig. »Aber sehen Sie sich die Konsequenzen an: ein Kwisatz Haderach ... und diesen Enkel, den Tyrannen!« Ein Argument, das Bellondas Herz erfreut!
»Der Goldene Pfad«, sagte Murbella. »Das Überleben der Menschheit.«
»Die Hungerjahre. Die Diaspora.«
Schaust du zu, Bell? Egal. Du wirst es dir ansehen.
»Geehrte Matres!« sagte Murbella.
»Alles wegen Jessica?« fragte Odrade. »Aber Jessica kam zu uns zurück und lebte den Rest ihrer Jahre auf Caladan.«
»Als Akoluthen-Lehrerin!«
»Auch als Beispiel für sie. Sehen Sie, was passiert, wenn man uns trotzt?« Uns trotzt, Murbella! Tu es geschickter als Jessica!
»Manchmal stoßen Sie mich ab!« Aber die natürliche Ehrlichkeit zwang Murbella, hinzuzufügen: »Aber Sie wissen, daß ich das haben möchte, was Sie haben.«
Was wir haben.
Odrade erinnerte sich an ihre erste Begegnung mit dem, was die Bene Gesserit anziehend machte. Daß man alle körperlichen Reaktionen mit exquisiter Präzision ausführte; daß die Sinne auf die kleinsten Einzelheiten ansprachen; daß trainierte Muskeln wahre Wunderdinge vollbrachten. Diese
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