Dune 06: Die Ordensburg des Wüstenplaneten
gaben ihren Ängsten Gestalt. Ich habe es gewußt! Er liefert mich ans Messer!
»Wie ihr Ehrwürdigen Mütter sehr gut wißt, haben ökonomische Systeme stets ihre Lücken.«
»Ja?« Mit äußerster Vorsicht.
»Mangelhafte Unterdrückung des Warenhandels jeglicher Art erhöht die Händlerprofite, besonders die Profite der maßgeblichen Distributoren.« Seine Stimme klang warnend zögerlich. »Das ist der Trugschluß in der Vorstellung, man könne Kontrolle über unerwünschte Narkotika ausüben, indem man sie an den Grenzen zurückhält.«
Was wollte er damit sagen? Seine Worte drückten elementare Tatsachen aus, die jede Kandidatin kannte. Steigende Gewinne wurden stets dazu verwendet, um sichere Wege am Wachpersonal vorbei zu erkaufen; manchmal, indem man das Wachpersonal selbst kaufte.
Hat er die Bediensteten der Geehrten Matres gekauft? Daß dies unbemerkt bleibt, glaubt er doch wohl selber nicht.
Während er seine Gedanken ordnete, wartete sie ab. Allem Anschein nach arbeitete er an einem Beispiel, von dem er annahm, sie würde es höchstwahrscheinlich akzeptieren.
Warum richtete er ihre Aufmerksamkeit auf das Wachpersonal? Genau das hatte er getan. Das Wachpersonal hatte natürlich stets einen vernünftigen Grund parat, die vorgesetzte Behörde zu hintergehen. »Wenn ich's nicht tue, tut's halt ein anderer.«
Sie wagte zu hoffen.
Der Rabbi räusperte sich. Es war offensichtlich, daß er die Worte gefunden und in die richtige Reihenfolge gebracht hatte.
»Ich glaube nicht, daß es irgendeinen Weg gibt, dich lebend von Gammu fortzubringen.«
Eine solch brutale Verurteilung hatte sie nicht erwartet. »Aber die ...«
»Die Information, die du bei dir trägst, ist eine andere Sache«, sagte er.
Also das war es, was hinter seinem Gerede von Grenzen und Wachpersonal lag!
»Du verstehst nicht, Rabbi. Meine Information besteht nicht nur aus ein paar Worten und irgendwelchen Warnungen.« Sie preßte einen Finger gegen ihre Stirn. »Hier drin befinden sich viele ehemalige Leben, und ein jedes davon ist eine unersetzliche Erfahrung, ein dermaßen lebenswichtiges Wissen, daß ...«
»Oh, aber gewiß verstehe ich das, gute Frau. Unser Problem besteht darin, daß du nicht verstehst.«
Diese ständigen Hinweise in Sachen Verständnis!
»Im Moment bin ich ganz von deiner Ehrenhaftigkeit abhängig«, sagte er.
Ahhh, die legendäre Ehrenhaftigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Bene Gesserit, wenn wir einmal unser Wort gegeben haben!
»Du weißt, daß ich eher sterben würde, als dich zu betrügen«, sagte sie.
Er breitete in einer ziemlich hilflosen Geste die Hände aus. »Ich bin mir dessen voll bewußt, gute Frau. Aber hier geht es nicht um Unehrenhaftigkeit, sondern um etwas, das wir eurer Schwesternschaft nie offenbart haben.«
»Was soll das heißen?« Ihre Frage klang äußerst bestimmend, wies beinahe die Kraft der Stimme auf (die sie, wie man sie gewarnt hatte, auf die Juden niemals anwenden sollte).
»Ich muß ein Versprechen von dir verlangen. Ich muß dein Wort haben, daß ihr euch nicht aufgrund dessen, was ich nun offenbare, gegen uns wendet. Du mußt mir versprechen, meine Lösung unseres Dilemmas zu akzeptieren.«
»Ins Blaue hinein?«
»Nur deswegen, weil ich es erbitte und dir versichere, daß wir unsere Verbindung mit der Schwesternschaft hoch einschätzen.«
Sie maß ihn mit einem Blick, versuchte die Barriere, die er zwischen ihnen errichtet hatte, zu durchdringen. Sie konnte zwar seine äußerliche Reaktion interpretieren, aber nicht dieses rätselhafte Etwas, das unterhalb seines unerwarteten Verhaltens lag.
Der Rabbi wartete darauf, daß die fürchterliche Frau zu einem Entschluß gelangte. Ehrwürdige Mütter verursachten ihm stets Unwohlsein. Er wußte, wie ihre Entscheidung ausfallen würde, deswegen bemitleidete er sie. Und er sah, daß sie ihm das Mitleid am Gesicht ablesen konnte. Sie wußten so viel – und doch so wenig. Ihre Kräfte waren bekannt. Und ihr Wissen um das Geheimnis Israels so gefährlich!
Doch das sind wir ihnen schuldig. Sie gehört zwar nicht zu den Auserwählten, aber eine Schuld ist eine Schuld. Ehre ist Ehre. Wahrheit ist Wahrheit.
Die Bene Gesserit hatten das Geheime Israel in vielen Stunden der Not bewahrt. Und ein Pogrom war etwas, das sein Volk ohne große Erklärungen verstand. Das Wort ›Pogrom‹ war in die Psyche des Geheimen Israel eingebettet. Und dank der Unaussprechlichen würde das auserwählte Volk es niemals vergessen. Ebensowenig, wie
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