Dune 06: Die Ordensburg des Wüstenplaneten
überkamen, sehnte sich Odrade nach einem Leben in den Grenzen jener Ordnung, die ihr gefiel: einem gelegentlichen Spaziergang durch die Obstgärten. Dies gefiel ihr zu allen Jahreszeiten. Ein ruhiger Abend mit Freunden, das Geben und Nehmen innerhalb einer prüfenden Konversation mit jenen, denen sie Sympathie entgegenbrachte. Heuchelei? Ja. Die Mutter Oberin wagte viel – sogar die Liebe von Gefährten. Und gute Mahlzeiten und Getränke, die man aufgrund der Hochwertigkeit ihres Aromas ausgewählt hatte. Auch das wollte sie. Wie schön es war, dem Gaumen eine Gefälligkeit zu erweisen. Und anschließend ... ja, anschließend ein warmes Bett und einen verständnisvollen Gefährten, der ihren Bedürfnissen gegenüber ebenso empfänglich war, wie sie den seinen.
Das meiste davon war natürlich undurchführbar. Verpflichtungen! Welch gewaltiges Wort! Wie es brannte!
»Ich werde allmählich hungrig«, sagte Odrade. »Soll ich Anweisungen geben, damit man uns das Essen hier serviert?«
Bellonda und Tamalane starrten sie an. »Es ist doch erst halb zwölf«, sagte Tamalane pikiert.
»Ja oder nein?« Odrade ließ nicht locker.
Bellonda und Tamalane sahen einander an. »Wie du willst«, sagte Bellonda.
Die Bene Gesserit hatten (wie Odrade wußte) ein Sprichwort, laut dem die Schwesternschaft besser funktionierte, wenn der Bauch der Mutter Oberin gefüllt war. Es traf in vollem Umfang zu.
Odrade verband sich über das Interkom mit ihrer Leibköchin. »Essen für drei Personen, Duana! Etwas Besonderes! Ganz nach deinem Gusto.«
Ein Teil des Essens, das bald darauf kam, bestand aus etwas Besonderem: einer Kalbfleischkasserolle. Duana enthüllte eine delikate Kräuterplatte. Kalbfleisch mit einer Prise Rosmarin, das Gemüse nicht überkocht. Herrlich.
Odrade genoß jeden Bissen. Die beiden anderen plackten sich mit ihrer Mahlzeit ab. Führten den Löffel zum Mund. Und wieder.
Gehört dies zu den Gründen, daß ich an ihrer Stelle die Mutter Oberin bin?
Während eine Akoluthe die Überreste des Essens abräumte, wandte sich Odrade einer ihrer Lieblingsfragen zu: »Wie lautet der aktuelle Klatsch in den Gemeinschaftsräumen und unter den Akoluthen?«
Sie erinnerte sich an ihre eigene Akoluthenzeit, als sie den Worten der älteren Frauen gelauscht und großartige Wahrheiten erwartet hatte. Statt dessen hatte sie meist nur den neuesten Klatsch über Schwester Soundso und die Probleme der Prokuratorin X erfahren. Dann und wann jedoch waren die Barrieren gefallen – und verwertbare Daten geflossen.
»Zu viele Akoluthen reden davon, daß sie gern in die Diaspora gehen würden«, sagte Tamalane grollend. »Mir fallen dazu Ratten und sinkende Schiffe ein.«
»Man zeigt neuerdings großes Interesse am Archiv«, sagte Bellonda. »Schwestern, die es eigentlich wissen müßten, lassen sich neuerdings bestätigen, ob diese oder jene Akoluthe eine deutliche Siona-Genmarkierung aufweist.«
Das erweckte Odrades Interesse. Ihre gemeinsame Atreides-Vorfahrin aus der Ära des Tyrannen – Siona Ibn Fuad al-Seyefa Atreides – hatte ihnen die Fähigkeit vererbt, für hellsichtige Sucher unaufspürbar zu sein. Jeder Mensch, der auf dem Planeten der Ordensburg lebte, verfügte über diesen vererbten Schutz.
»Eine deutliche Markierung?« fragte Odrade. »Bezweifelt man, daß die fraglichen Personen geschützt sind?«
»Man will sich rückversichern«, sagte Bellonda dumpf. »Kann ich jetzt auf Idaho zurückkommen? Er hat die genetische Markierung nur zum Teil. Das macht mir Sorgen. Warum weisen einige seiner Zellen die Siona-Markierung nicht auf? Was haben die Tleilaxu mit ihm gemacht?«
»Duncan kennt die Gefahr, und er ist kein Selbstmörder«, sagte Odrade.
»Wir wissen nicht, was er ist«, beschwerte sich Bellonda.
»Möglicherweise ist er ein Mentat, und wir alle wissen, was das bedeuten könnte«, sagte Tamalane.
»Ich verstehe zwar, weswegen wir Murbella behalten«, sagte Bellonda. »Sie liefert wertvolle Informationen. Aber Idaho und Scytale ...«
»Das reicht!« unterbrach Odrade barsch. »Wachhunde können auch zu lange bellen!«
Bellonda nahm es zähneknirschend hin. Wachhunde! So nannte man in den Reihen der Bene Gesserit jene Schwestern, die einen permanent bewachten, damit man nicht vom Glauben abfiel. Für die Akoluthen stellten sie eine Plage dar, aber für die Ehrwürdigen Mütter waren sie nichts als irgendein Teil ihres Daseins.
Eines Nachmittags, als sie in der grauwandigen Verhörkammer des
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