Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
schwielige Faust. »Und wir wissen, dass viele von den Dingen, die wir hier bauen, falsch sind!«
Wieder ging ein unruhiges Raunen durch das Publikum, das kurz vor einem Aufruhr zu stehen schien. Rhombur hatte darauf beharrt, dass die Suboiden keinen eigenen Antrieb besaßen, dass sie dazu gar nicht in der Lage waren. Doch nun beobachtete Leto das Gegenteil.
Der Sprecher fuhr in unheilschwangerem Tonfall fort. »Was werden wir jetzt tun? Sollen wir ein Gesuch an unsere Herren einreichen und Antworten verlangen? Oder sollen wir mehr tun?«
Er ließ den Blick über die versammelten Zuhörer wandern – dann schienen seine Augen plötzlich zwei spitze Pfeile zu verschießen, als er Leto im Schatten hinter dem Eingang erspähte. »Wer ist das?«
Leto wich taumelnd zurück und hob beide Hände. »Es tut mir Leid. Ich habe mich verlaufen. Es hat nichts mit Ihnen zu tun.« Normalerweise wusste er, wie er einen freundlichen ersten Eindruck hinterließ, aber in dieser Situation war er vor Verwirrung völlig kopflos.
Die Menge der Arbeiter drehte sich herum, dann dämmerte in ihren Augen allmähliches Verstehen. Sie erkannten die möglichen Konsequenzen dessen, was der Sprecher gesagt hatte, und der Tatsache, dass Leto alles mitgehört hatte.
»Es tut mir wirklich Leid«, sagte Leto. »Ich wollte Sie nicht belauschen.« Sein Herz raste, Schweiß stand ihm auf der Stirn, und er spürte große Gefahr.
Mehrere Suboiden kamen wie Roboter auf ihn zu, immer schneller.
Leto versuchte es mit dem freundlichsten Lächeln, das er bewerkstelligen konnte. »Wenn Sie möchten, kann ich mit Graf Vernius sprechen und einige Ihrer Beschwerden vorbringen ...«
Als die Suboiden weiter vorrückten, machte Leto einen Satz und rannte los. Er stürmte durch die niedrigen Korridore, bog wahllos ab, schlüpfte geduckt durch kleine Gänge, während die Arbeiter ihn verfolgten und in hilflosem Zorn knurrten. Sie fächerten sich auf, verteilten sich auf Seitengänge, und Leto konnte sich nicht mehr erinnern, auf welchem Weg er in die große Höhle zurückgelangte ...
Seine Rettung war vermutlich die Tatsache, dass er sich verirrt hatte. Die Suboiden versuchten ihm den Rückweg abzuschneiden, wollten ihn in Korridoren stellen, die zur Oberfläche führten. Aber Leto wusste gar nicht, wo er sich befand, so dass er keinem sinnvollen Muster folgte, sondern irgendwelche Gänge benutzte, sich gelegentlich in Nischen und Winkeln versteckte, bis er schließlich eine kleine Wartungstür erreichte, die zurück in die staubige Luft unter dem grellen Licht der Industrie-Leuchtgloben führte.
Mehrere Suboiden, die seinen Schattenriss im Türrahmen sahen, riefen von unten herauf, doch Leto rannte sofort zu einem Notlift weiter. Er zog seine Biodaten-Karte durch das Lesegerät und erhielt Zugang zu den oberen Stockwerken.
Leto begann zu zittern, als sein Adrenalinspiegel sank. Er konnte es nicht fassen, was er soeben miterlebt hatte, und er hatte keine Ahnung, was die Suboiden mit ihm angestellt hätten, wenn es ihnen gelungen wäre, ihn zu fassen. Es war schon erstaunlich genug, zu welchen Reaktionen und intensiven Gefühlen sie fähig waren. Sein Verstand wollte nicht glauben, dass sie ihn möglicherweise getötet hätten – nicht den Sohn des Herzogs Atreides, den Ehrengast des Hauses Vernius. Schließlich hatte er ihnen doch seine Hilfe angeboten.
Offensichtlich besaßen die Suboiden ein großes Gewaltpotenzial, eine furchteinflößende dunkle Seite, die sie bis jetzt vor ihren ahnungslosen Herren geheim halten konnten.
Leto fragte sich besorgt, ob es noch weitere Enklaven der Unzufriedenheit gab, andere Gruppen mit ähnlich charismatischen Sprechern, denen es gelang, den unterschwelligen Groll der großen Arbeiterpopulation zu wecken.
Als er in der Liftkabine emporstieg, blickte Leto nach unten und sah die Arbeiter, wie sie unschuldig ihre Rolle spielten und ihren alltäglichen Pflichten nachgingen. Er wusste, dass er melden musste, was er mitgehört hatte. Aber würde man ihm glauben?
Beklommen wurde ihm bewusst, dass er dabei war, viel mehr über Ix zu lernen, als er jemals hatte wissen wollen.
25
Die Hoffnung kann die gefährlichste Waffe eines unterdrückten Volkes sein – oder der gefährlichste Feind jener, die kurz vor dem Scheitern stehen. Wir müssen uns stets ihrer Vorteile und Einschränkungen bewusst sein.
Lady Helena Atreides,
aus ihren persönlichen Tagebüchern
Nach wochenlanger Reise löste sich das Frachtschiff
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