Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
war, so etwas zu tun?« Er beugte sich auf dem Stuhl aus dunklem Holz vor.
Duncan nickte. »Ja, Mylord.« Sein Gesicht errötete schuldbewusst, weil er seinen Wohltäter nicht hatte retten können. »Ja, ich weiß es.«
»Doch irgendjemand hat den salusanischen Stieren kurz vor dem letzten Kampf meines Vaters etwas gegeben – und du gehört zu denen, die sich um die Tiere gekümmert haben. Du hattest ausreichend Gelegenheit dazu. Warum habe ich dich nicht im paseo gesehen, als alle anderen durch die Arena marschiert sind? Ich kann mich erinnern, nach dir Ausschau gehalten zu haben.« Seine Stimme wurde deutlich strenger. »Duncan Idaho, hat man dich in der Maske des unschuldigen und hasserfüllten kleinen Jungen als geheimen Assassinen im Auftrag der Harkonnens hierher geschickt?«
Duncan wich entgeistert zurück. »Nein, Mylord!«, rief er. »Ich wollte alle anderen warnen. Ich hatte schon Tage vorher bemerkt, dass etwas mit den Stieren nicht stimmte. Ich habe Stallmeister Yresk immer wieder darauf hingewiesen, aber er wollte nichts unternehmen. Er hat mich nur ausgelacht. Ich habe mich sogar mit ihm gestritten. Deshalb konnte ich nicht am paseo teilnehmen. Ich wollte selbst zum alten Herzog gehen und ihn warnen, aber dann hat mich der Stallmeister für die Dauer des Kampfes in einen dreckigen Käfig gesperrt.« Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Die schöne Kleidung, die Ihr Vater mir gab, war völlig ruiniert. Ich habe nicht einmal gesehen, wie er in der Arena ums Leben kam, sondern es erst später erfahren.«
Leto richtete sich überrascht im großen Stuhl seines Vaters auf. Er blickte sich zu Hawat um.
»Ich werde es herausfinden, Mylord«, sagte der Mentat.
Leto musterte den Jungen. Duncan Idaho schien keine Furcht zu zeigen, nur aufrichtige Trauer. Dann glaubte Leto, im jungen Gesicht ausschließlich Ehrlichkeit und eine tief empfundene Ergebenheit zu entdecken. Er hatte den Eindruck, dass dieser neunjährige Flüchtling wirklich froh zu sein schien, zum Haus Atreides zu gehören, auch wenn er nur die erniedrigende, undankbare Arbeit eines Stalljungen verrichten durfte.
Leto konnte noch nicht auf eine jahrelange Erfahrung in der Beurteilung von Menschen zurückblicken, die ihn zu täuschen versuchten, aber sein Gefühl sagte ihm, dass er diesem Jungen vertrauen konnte. Duncan war zäh, intelligent und wild – aber nicht falsch.
Sei vorsichtig, Herzog Leto, sagte er sich. Das Imperium hat zahlreiche Tricks hervorgebracht, und das hier könnte einer davon sein. Dann dachte er an den alten Stallmeister. Yresk hatte seinen Posten in Burg Caladan seit der arrangierten Hochzeit seiner Eltern innegehabt ... Konnte ein solcher Plan über einen so langen Zeitraum gekeimt sein? Ja, es wäre denkbar. Obwohl ihn die Konsequenzen erzittern ließen.
Ohne Begleitung betrat Lady Helena mit verstohlenen Schritten den Audienzsaal. Tiefe Schatten umrahmten ihre Augen. Leto sah zu, wie seine Mutter in den leeren, für sie reservierten Stuhl an seiner Seite glitt. Kerzengerade und schweigend musterte sie den Jungen, der vor ihnen stand.
Wenige Augenblicke später wurde Stallmeister Yresk recht unsanft von Atreides-Wachen in den Saal geführt. Sein weißer Haarschopf war zerrauft, und seine hervorquellenden Augen wirkten unsicher und noch größer als sonst. Als Thufir Hawat noch einmal Duncans Geschichte zusammengefasst hatte, lachte der Stallmeister nur und ließ in übertriebener Erleichterung die knochigen Schultern sinken. »Wollen Sie ernsthaft nach all den Jahren, die ich Ihnen gedient habe, dieser Stallratte – diesem Harkonnen – mehr Glauben schenken als mir?« Er verdrehte entrüstet die Augen. »Ich bitte Sie, Mylord!«
Übertriebene Dramatik, dachte Leto. Hawat hatte es ebenfalls bemerkt.
Yresk legte einen Finger an die Lippen, als dächte er über eine Möglichkeit nach. »Wo sie davon sprechen, Mylord – es wäre durchaus denkbar, dass der Junge selbst den Stier vergiftet hat. Ich konnte ihn schließlich nicht ständig im Auge behalten.«
»Das ist eine Lüge!«, rief Duncan. »Ich wollte es dem Herzog sagen, aber Sie haben mich in einen Käfig gesperrt. Warum haben Sie nicht versucht, den Stierkampf zu verhindern? Ich habe Sie immer und immer wieder gewarnt – und jetzt ist der Herzog tot.«
Hawat hörte zu, den Blick seiner Augen in die Ferne gerichtet, die Lippen feucht und von einem frischen Schluck Sapho-Saft gerötet. Leto sah, dass er sich wieder im Mentaten-Modus befand und alle
Weitere Kostenlose Bücher