Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
Daten durchging, die den jungen Duncan sowie Yresk betrafen.
»Nun?«, fragte Leto den Stallmeister. Er zwang sich dazu, nicht an die alten Zeiten zu denken, als der schlaksige Mann ständig nach Schweiß und Dung gerochen hatte.
»Es mag sein, dass die Stallratte irgendetwas geplappert hat, Mylord, aber der Junge hatte einfach nur Angst vor den Stieren. Ich kann doch keinen Stierkampf absagen, nur weil ein Kind glaubt, die Tiere seien zu furchteinflößend.« Er schnaufte. »Ich habe dieses Balg in meine Obhut genommen, ihm jede erdenkliche Chance geboten ...«
»Aber Sie haben nicht auf ihn gehört, als er Sie wegen der Stiere warnen wollte – und nun ist mein Vater tot«, sagte Leto, dem auffiel, dass Yresk plötzlich Angst zu bekommen schien. »Warum haben Sie so gehandelt?«
»Mögliche Extrapolation«, sagte Hawat. »Als Diener der Lady Helena hat Yresk sein ganzes Leben lang für das Haus Richese gearbeitet. Richese hatte in der Vergangenheit gute Beziehungen zu den Harkonnens und stand im feindlichen Verhältnis zu Ix. Ihm ist vielleicht nicht einmal bewusst, welche Rolle er im großen Ganzen spielt, oder ...«
»Was? Das ist absurd!«, empörte sich Yresk und fuhr sich durchs weiße Haar. »Ich habe nichts mit den Harkonnens zu schaffen.« Er warf Lady Helena einen flüchtigen Blick zu, die diesen jedoch nicht erwiderte.
»Lassen Sie meinen Mentaten ausreden!«, ermahnte Leto ihn.
Thufir Hawat studierte jetzt Lady Helena, die ihn mit eisigem Blick betrachtete und dann ihren Sohn ansah. Er fuhr mit seiner Einschätzung der Lage fort: »Zusammenfassung: Die Heirat zwischen Paulus Atreides und Helena aus dem Hause Richese war gefährlich, selbst in der damaligen Zeit. Der Landsraad sah darin eine Möglichkeit, die Richese-Harkonnen-Beziehungen zu schwächen, während Graf Ilban Richese die Vermählung als allerletzte Möglichkeit akzeptierte, einen Teil seines Familienvermögens zu retten, während sie bereits im Begriff waren, Arrakis zu verlieren. Der Vorteil für das Haus Atreides bestand darin, dass Herzog Paulus zum offiziellen MAFEA-Direktor wurde und volles Stimmrecht im Forum des Landsraads erhielt – etwas, das diese Familie mit anderen Mitteln niemals erreicht hätte. Doch als Lady Helena mit der Hochzeitsgesellschaft auf Caladan eintraf, war vielleicht nicht die komplette Dienerschaft zur vollen Loyalität gegenüber den Atreides bereit. Es könnte Kontakte zwischen Harkonnen-Agenten und Stallmeister Yresk gegeben haben ... ohne dass Lady Helena etwas davon ahnte, versteht sich.«
»Das ist eine sehr gewagte Mutmaßung, selbst für einen Mentaten«, sagte Yresk. Er blickte sich hilfesuchend im Saal um, wie Leto bemerkte, zu allen Anwesenden – außer zu Lady Helena, deren Blick er nun bewusst auszuweichen schien. Sein Adamsapfel hüpfte an der dünnen Kehle auf und ab.
Leto starrte seine Mutter an, die schweigend neben ihm saß. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken. Durch die geschlossene Schlafzimmertür hatte Leto die Worte gehört, mit denen sie Paulus' politisches Verhältnis zur Vernius-Familie kritisiert hatte. Du warst es, der hier die Entscheidung getroffen hat, Paulus! Und es war eine falsche Entscheidung. Die Worte hallten laut in Letos Kopf nach. Das wird dich und dein Haus teuer zu stehen kommen!
»Äh ... niemand macht sich allzu viele Gedanken um einen Stallmeister, Leto«, bemerkte Rhombur leise.
Aber Leto beobachtete immer noch seine Mutter. Stallmeister Yresk war als Teil von Helenas Hochzeitsgefolge der Richeses nach Caladan gekommen. Konnte sie sich an ihn gewandt haben? Welchen Einfluss hatte sie auf diesen Mann?
Seine Kehle wurde trocken, als sich in seinem Kopf plötzlich alle Einzelteile zusammenfügten. Diese Art von Erkenntnis musste dem ähnlich sein, was ein Mentat erlebte. Sie hatte es getan! Lady Helena hatte persönlich die Hebel in Bewegung gesetzt. Möglicherweise hatte sie Unterstützung von außen erhalten, vielleicht sogar durch die Harkonnens ... und mit ziemlicher Sicherheit war es Yresk gewesen, der die Schmutzarbeit ausgeführt hatte.
Aber sie hatte die Entscheidung getroffen, Paulus zu bestrafen. Für Leto gab es daran nicht mehr den geringsten Zweifel. Mit ihrem fünfzehnjährigen Sohn würde sie nun über Caladan herrschen und die Entscheidungen treffen, die sie für die besten hielt.
Leto, mein Sohn, jetzt bist du der Herzog Atreides. Das waren die Worte seiner Mutter gewesen, die sie unmittelbar nach dem Tod ihres Mannes
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