Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
Leto Atreides. Herrscher des Planeten Caladan, Mitglied des Landsraads, Oberhaupt eines Großen Hauses ... Diese Titel bedeuteten ihm gar nichts. Sein Vater war tot.
Leto fühlte sich so klein. In seiner Trauer und Verwirrung war er überhaupt nicht für die Bürde bereit, die man ihm mit nur fünfzehn Jahren auf so grausame Weise aufgelastet hatte. Als er im unbequemen, viel zu großen Stuhl saß, auf dem der stürmische alte Herzog so oft Hof gehalten hatte, fühlte sich Leto völlig fehl am Platze, wie ein Hochstapler.
Ich bin noch nicht bereit, Herzog zu sein.
Er hatte eine offizielle Trauerzeit von sieben Tagen angeordnet, in denen es ihm gelang, den schwierigsten Aufgaben als Oberhaupt des Hauses Atreides aus dem Weg zu gehen. Es war schon beinahe zu viel für ihn, einfach nur die Kondolenzen der anderen Großen Häuser entgegenzunehmen ... insbesondere den förmlichen Brief von Kaiser Elrood IX., der zweifellos von seinem Kammerherrn geschrieben, aber von der zitternden Hand des alten Mannes unterzeichnet war. »Ein großer Mann des Volkes ist von uns gegangen«, hieß es darin. »Ich bekunde mein aufrichtiges Beileid und bete für Ihre Zukunft.«
Aus einem unerfindlichen Grund klangen diese Worte für Leto wie eine Drohung – vielleicht war es ein Unheil verkündender Strich in der Unterschrift oder etwas in der Wahl der Worte. Leto hatte den Brief sofort im Kamin seines Privatgemachs verbrannt.
Am wichtigsten waren für ihn die Gesten der Trauer, die ihm das Volk von Caladan entgegenbrachte: frische Blumen, Körbe voller Fisch, bestickte Fahnen, Gedichte und Lieder, Schnitzereien und selbst Zeichnungen und Gemälde, die den alten Herzog darstellten, zumeist in Siegerpose in der Stierkampfarena.
Wenn er allein war und niemand seine Schwäche sehen konnte, weinte Leto. Er wusste, wie sehr das Volk Herzog Paulus geliebt hatte, und er erinnerte sich an das Gefühl der Macht, das er an jenem Tag verspürt hatte, als sein Vater und er gemeinsam mit der Stiertrophäe auf der Plaza de Toros standen. Damals hatte er sich danach gesehnt, selbst zum Herzog zu werden, hatte die Liebe und Treue des Volkes empfunden. Das Haus Atreides!
Jetzt wünschte er sich irgendein völlig anderes Schicksal.
Lady Helena hatte sich in ihre Gemächer eingesperrt und ließ keine Diener zu sich, die sich um sie kümmern wollten. Leto hatte niemals viel Liebe oder Zuneigung zwischen seinen Eltern beobachtet, und im Augenblick konnte er nicht sagen, ob die Trauer seiner Mutter aufrichtig oder nur vorgetäuscht war. Die einzigen Menschen, die sie einließ, waren ihre Priester und religiösen Berater. Helena klammerte sich an die unterschwelligen Bedeutungen, die sie den Versen der Orange-Katholischen Bibel entrang.
Leto hatte erkannt, dass er sich nur aus eigener Kraft aus dem Sumpf ziehen konnte. Er musste seine eigenen Energiequellen anzapfen und sich der Aufgabe stellen, Caladan zu verwalten. Herzog Paulus hätte Leto getadelt, weil er den Kopf hängen ließ und sich nicht unverzüglich den Prioritäten seines neuen Lebens zuwandte. »In deiner Freizeit kannst du trauern, Junge«, hätte er gesagt, »aber in der Öffentlichkeit darf sich das Haus Atreides kein Anzeichen der Schwäche erlauben.«
Leto schwor sich stumm, sein Bestes zu geben. Dies war zweifellos nur das erste von vielen Opfern, die er in seiner neuen Stellung bringen musste.
Prinz Rhombur kam zu ihm, als er im schweren Herzogstuhl im leeren Audienzsaal saß. Leto grübelte, während er auf ein großes Gemälde starrte, das ihm gegenüber an der Wand hing und seinen Vater in voller Ausstattung als Matador darstellte. Rhombur legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter und drückte sie. »Leto, hast du schon etwas gegessen? Du musst bei Kräften bleiben.«
Leto atmete tief durch und wandte sich seinem Gefährten von Ix zu. Rhomburs breites Gesicht war von Sorge gezeichnet. »Nein, ich habe noch nichts gegessen. Würdest du mir beim Frühstück Gesellschaft leisten?« Steif erhob er sich vom unbequemen Stuhl. Es wurde Zeit, dass er sich um seine Pflichten kümmerte.
Thufir Hawat stieß während der Mahlzeit zu ihnen, die daraufhin mehrere Stunden in Anspruch nahm, weil sie Pläne und Strategien für den Regierungswechsel entwickelten. Während einer Diskussionspause neigte der Krieger-Mentat den Kopf und erwiderte Letos Blick. »Falls ich es noch nicht deutlich gemacht habe, Herzog, will ich Sie meiner uneingeschränkten Loyalität versichern und meinen
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