Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
unbedingt Letos Blut für die Endphase des Programms. Er ist unsere größte Hoffnung, und die Arbeit von Jahrhunderten hängt davon ab.«
Diesen Punkt hatte Margot Rashino-Zea nicht ganz verstanden, so dass sie Anirul mit ihren graugrünen Augen anstarrte. »Unser Bedarf an Atreides-Genen ist doch nicht davon abhängig, ob die Familie ihren Status als Hohes Haus behält.«
»Meinst du?« Geduldig erklärte Anirul ihre größte Befürchtung. »Herzog Leto hat weder Brüder noch Schwestern. Wenn er keinen Erfolg mit dem Verwirkungsverfahren hat, kann er genausogut Selbstmord begehen. Er ist ein junger Mann mit beträchtlichem Stolz, und so kurz nach dem Tod seines Vaters wäre es ein furchtbarer Schlag für ihn.«
Margot kniff skeptisch die Augen zusammen. »Dieser Leto ist eine ungewöhnlich starke Persönlichkeit. Sie wird ihn dazu treiben, in jedem Fall weiterzukämpfen.«
Drachenvögel flogen über sie hinweg und zwitscherten wie reiner Kristall. Anirul blickte in den wolkenlosen Himmel und schaute ihnen nach. »Und was ist, wenn ein rachsüchtiger Tleilaxu ihn meuchelt, selbst wenn der Imperator ihn begnadigt? Was ist, wenn ein Harkonnen die Gelegenheit sieht, einen ›Unfall‹ zu inszenieren? Leto Atreides kann es sich nicht leisten, den Schutz durch seinen Adelstitel zu verlieren. Wir müssen ihn am Leben erhalten, und zwar in seiner gegenwärtigen Machtposition.«
»Ich verstehe deine Argumente, Anirul.«
»Dieser junge Herzog muss um jeden Preis beschützt werden – und dazu müssen wir zunächst den Status seines Großen Hauses schützen. Er darf den Prozess nicht verlieren.«
»Hmm-hmmm, da könnte es eine Möglichkeit geben«, sagte Margot nachdenklich mit einem verkniffenen Lächeln. »Hasimir würde meine Idee vielleicht sogar bewundern, wenn er davon erfährt, trotz seiner instinktiven Oppositionshaltung. Natürlich dürfen wir es nicht wagen, ihm auch nur ein Sterbenswörtchen zu verraten, weder ihm noch Shaddam. Aber es wird sämtliche Mitspieler maßlos irritieren.«
Anirul wartete schweigend ab, obwohl in ihren Augen die pure Neugier brannte. Margot rückte ein Stück näher an ihre Bene-Gesserit-Kollegin heran. »Was unseren Verdacht einer ... Beziehung zu den Tleilaxu betrifft ... Wir könnten ihn für einen verwinkelten Bluff benutzen. Aber lässt es sich durchführen, ohne dass wir Shaddam oder dem Haus Corrino Schaden zufügen?«
Anirul erstarrte. »Mein künftiger Ehemann – und sogar der Goldene Löwenthron – sind von sekundärer Bedeutung für unser Zuchtprogramm.«
»Natürlich hast du Recht.« Margot nickte resigniert, als wäre sie über ihre eigene Rücksichtslosigkeit schockiert. »Aber wie gehen wir vor?«
»Wir beginnen mit einer Botschaft an Leto.«
69
Die Wahrheit ist ein Chamäleon.
Zensunni-Aphorismus
Am zweiten Morgen, den Leto im Landsraad-Gefängnis auf Kaitain verbrachte, traf ein Beamter mit wichtigen Dokumenten ein, die er unterzeichnen sollte – den offiziellen Antrag auf ein Verwirkungsverfahren und Letos offiziellen Verzicht auf sämtliches Vermögen des Hauses Atreides. Es war für ihn der Augenblick der Wahrheit, an dem er seine Einwilligung in den gefährlichen Ablauf der Dinge beglaubigen musste.
Obwohl es sich unbestreitbar um eine Gefängniszelle handelte, bestand sie aus zwei Zimmern mit einer bequemen Bettcouch, einem Tisch aus poliertem Ecaz-Jakaranda, einem Filmbuch-Lesegerät und weiteren wohnlichen Einrichtungsgegenständen. Diese sogenannten Gefälligkeiten waren ihm aufgrund seiner Stellung im Landsraad gewährt worden. Kein Oberhaupt eines Großen Hauses würde jemals wie ein gewöhnlicher Verbrecher behandelt werden – zumindest nicht, bevor er durch einen ordentlichen Prozess alles verloren hatte oder wie das Haus Vernius abtrünnig wurde. Leto wusste, dass er sich möglicherweise nie wieder an solchen Annehmlichkeiten erfreuen konnte, wenn es ihm nicht gelang, seine Unschuld zu beweisen.
In seiner Zelle war es warm, das Essen war reichlich und genießbar, das Bett bequem – obwohl er kaum darin geschlafen hatte, während er sich auf seine schwere Prüfung vorbereitete. Er hatte nur wenig Hoffnung auf eine schnelle und einfache Lösung seines Falls. Der Kurier konnte nur weitere Probleme bringen.
Der Beamte, ein Gerichtsdiener mit Sicherheitsbescheinigung, trug die Uniform des Landsraads in Braun und Türkis mit silbernen Epauletten. Er redete Leto als »Monsieur Atreides« ohne den üblichen Adelstitel an, als wäre
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