Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
Augen zu schauen. Haben sie längst beschlossen, dass ich schuldig bin?
»Es gibt noch weitere schlechte Neuigkeiten ... Herzog Leto.« Bruda Viol zögerte, seinen früheren Adelstitel zu benutzen. Ihr Gesicht war kantig und ernst, aber merkwürdig leidenschaftslos, als hätte sie schon so viel Ungerechtigkeit und Korruption gesehen, dass es ihr schließlich gleichgültig geworden war. »Eben erst haben wir festgestellt, dass einer der drei noch unentschlossenen Richter, Rincon aus dem Haus Fazeel, durch einen geheimen Handelskrieg gegen Ix ein immenses Vermögen verloren hat. Es ging um den Asteroiden-Bergbau im Klytemn-System. Vor fünf Jahren konnten Richons Berater ihn nur mit Mühe davon abhalten, eine Blutfehde gegen Dominic Vernius zu erklären.«
Die zweite Anwältin nickte und senkte die Stimme. »Wir haben das Gerücht gehört, Monsieur Atreides, dass Rincon Ihre Verurteilung als seine einzige Chance betrachtet, sich an Ix zu rächen, nachdem das Haus Vernius abtrünnig geworden ist.«
Leto brach der kalte Schweiß aus, und er stöhnte angewidert. »Gibt es in diesem Saal überhaupt noch jemanden, der sich dafür interessiert, was wirklich im Heighliner vorgefallen ist?«
Sowohl Bruda Viol als auch Clere Ruitt blickten ihn an, als hätte er soeben eine völlig blödsinnige Bemerkung von sich gegeben.
»Drei gegen zwei, Mylord«, sagte Hawat. »Also müssen wir die zwei unvoreingenommenen Richter auf unsere Seite bringen und darauf achten, nicht die zaghafte Unterstützung zu verlieren, mit der wir rechnen.«
»Es wird schon schiefgehen«, sagte Rhombur.
Der fensterlose, gepanzerte Gerichtssaal war früher während der Bauarbeiten auf Kaitain eine herzogliche Vertretung gewesen. Die gewölbte Decke im gotischen Stil war mit militärischen Darstellungen und den Wappen der Großen Häuser verziert. Leto suchte den roten Falken der Atreides und konzentrierte sich darauf. Obwohl er sich um Fassung bemühte, hatte er die Empfindung eines schrecklichen Verlusts, die Sehnsucht nach dem, was vielleicht nie wieder sein würde. In kürzester Zeit hatte er alles zum Einsturz gebracht, was sein Vater ihm hinterlassen hatte, und nun stand er in den Trümmern des Hauses Atreides.
Als er Tränen in seinen Augen spürte, verfluchte er sich für diese Schwäche. Noch war nicht alles verloren. Er konnte immer noch siegen. Er würde siegen! Ihm wurde eiskalt, und er drängte den bedrohlichen Strom der Verzweiflung zurück. Der Landsraad sah ihm zu, und er musste stark genug sein, um sich dem Notwendigen zu stellen. Er konnte sich keine Depressionen oder andere negative Empfindungen erlauben.
Hinter ihm betraten die Beobachter den Gerichtssaal und unterhielten sich leise und angeregt. Zwei größere Tische flankierten den Verteidigertisch, an dem er saß. Seine Gegner nahmen am linken Tisch Platz – Repräsentanten der Tleilaxu, vermutlich von den Harkonnens und anderen Feinden der Atreides unterstützt. Doch der verhasste Baron und sein Gefolge hielten sich im Hintergrund auf den Zuschauersitzen, als wollten sie in dieser Angelegenheit saubere Hände behalten. Der andere Tisch war für die Verbündeten und Freunde der Atreides reserviert. Leto nickte jedem einzelnen mit einem zuversichtlichen Lächeln zu.
Aber seine Gedanken waren alles andere als zuversichtlich, und er musste sich selbst eingestehen, dass seine Chancen nicht sehr gut standen. Die Ankläger würden die Beweise vorlegen, dass die Waffen der Atreides-Kampfgondel abgefeuert worden waren, und die zahlreichen neutralen Zeugen aufrufen, die bestätigen würden, dass die Schüsse nur vom winzigen Beiboot an Bord von Letos Fregatte stammen konnten. Auch ohne den Tleilaxu-Piloten als Zeugen gab es genügend andere Beobachter des Geschehens. Die gegenteiligen Beteuerungen seiner Gefährten und seiner Besatzung würden diese Aussagen nicht widerlegen können, genausowenig wie die vielen Freunde der Familie, die als Charakterzeugen auftreten sollten.
»Vielleicht können wir aufgrund der Verweigerung der Hellseherinnen in Berufung gehen«, schlug Clere Ruitt vor, aber Leto gewann daraus keinen Trost.
Dann traten durch einen Seiteneingang die Vertreter der Tleilaxu-Anklage mit ihren Anwälten und verderbten Mentaten ein. Ihr Auftritt erfolgte ohne große Fanfare, aber unter Lärm und Unruhe, da sie eine Maschine von diabolischem Aussehen in den Saal brachten. Sie rollte auf quietschenden Rädern und mit scheppernden Gelenken herein. Ein Raunen ging durch die
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