Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
genügend motiviert waren, um den Sieg zu kämpfen.
Er ließ sich von seinem Instinkt durch die geheimen Passagen leiten und versuchte, möglichst wenig Lärm zu machen. Nicht weit entfernt hörte er das Knistern eines Lähmers, den hellen Schmerzensschrei eines Kindes, dann spastisches Zähneklappern, als wieder einer der Jungen niedergestreckt wurde.
Wenn man von den Verfolgern geschnappt wurde, fügten sie einem Schmerzen zu – manchmal starke und gelegentlich schlimmere, je nach dem, wie viele »Lehrlinge« gerade zur Verfügung standen. Es war kein kindliches Versteckspiel. Zumindest nicht für die Verfolgten.
In seinem Alter wusste Duncan bereits, dass Leben und Tod ihren Preis hatten. Den Harkonnens war es gleichgültig, welches Leid sie den Kandidaten im Verlauf ihrer Übungen zufügten. Das war die Vorstellung der Harkonnens von einem Spiel. Duncan wusste, was grausame Vergnügungen waren. Er hatte andere dabei beobachtet, vor allem die Kinder, die mit ihm eingesperrt waren, wenn sie Insekten die Flügel ausrissen oder kleine Nagetierbabies anzündeten. Die Harkonnens und ihre Truppen waren wie erwachsene Kinder, nur dass sie über größere Möglichkeiten, größeren Einfallsreichtum und größere Boshaftigkeit verfügten.
Er stieß auf eine verrostete schmale Leiter und kletterte geräuschlos in die Dunkelheit hinauf, ohne seine Zeit mit Nachdenken zu vergeuden. Duncan musste unerwartete Dinge tun, sich dort verstecken, wo man ihn nicht ohne weiteres erreichen konnte. Die vom Zahn der Zeit zernagten Sprossen fügten seinen Händen Schmerzen zu.
Dieser Sektor des alten Barony war noch in Betrieb; Energieleitungen und Suspensorröhren schlängelten sich wie Wurmlöcher durch das Hauptgebäude – gerade, gekrümmt und im plötzlichen Winkel abbiegend. Dieser Abschnitt war ein gigantischer Hindernisparcours, wo die Harkonnen-Truppen auf ihre Opfer schießen konnten, ohne Gefahr zu laufen, wichtige Einrichtungen zu beschädigen.
Von oben hörte er rennende Stiefel, die sich durch einen Hauptkorridor bewegten, von Helmkommunikatoren gedämpfte Stimmen, dann einen Ruf. Ein nahes Piepen signalisierte, dass die Wachen sein Lokalisationsimplantat geortet hatten.
Weißglühendes Lasgun-Feuer brach über ihm durch die Decke und schmolz sich durch die Metallplatten. Duncan stieß sich von der Leiter ab und ließ sich einfach fallen. Ein bewaffneter Wächter bog die heiße Bodenplatte zur Seite und zeigte auf ihn. Die anderen setzten erneut ihre Lasguns ein, um die Sprossen durchzutrennen, worauf die Leiter gemeinsam mit dem kleinen Jungen in die Tiefe stürzte.
Er landete auf dem Boden eines weiter unten gelegenen Stockwerks, dann traf ihn die schwere Leiter. Obwohl es schmerzte, schrie Duncan nicht auf. Damit hätte er seinen Verfolgern einen nützlichen Hinweis gegeben. Auch wenn er nicht hoffen konnte, ihnen auf längere Zeit zu entwischen, weil er den pulsierenden Lokalisator mit sich herumtrug. Dieses Spiel konnten nur die Harkonnens gewinnen.
Er zwang sich zum Aufstehen und rannte wieder los, mit erneuerter, verzweifelter Sehnsucht nach Freiheit. Zu seiner Bestürzung öffnete sich der kleinere Tunnel, den er entlang lief, in einen breiteren Korridor. Das war nicht gut. Hier konnten die größeren Männer ihn ohne Schwierigkeiten verfolgen.
Er hörte Rufe hinter sich, wieder rennende Schritte, Lasgun-Feuer und schließlich einen erstickten Schrei. Eigentlich sollten die Jäger nur Lähmer einsetzen, aber Duncan wusste, dass in diesem fortgeschrittenen Stadium der Jagd bestimmt fast alle anderen gefangen worden waren – und damit viel mehr auf dem Spiel stand. Die Jäger verloren nicht gerne.
Duncan musste überleben. Er musste der Beste sein. Wenn er starb, konnte er seine Mutter niemals wiedersehen. Aber wenn er überlebte und besser als diese Mistkerle war, würde seine Familie vielleicht ihre Freiheit zurückerhalten ... beziehungsweise das Maß an Freiheit, das jemand, der auf Giedi Primus in den Diensten der Harkonnens stand, erwarten konnte.
Duncan hatte Lehrlinge gesehen, denen es tatsächlich gelungen war, ihre Verfolger zu besiegen, und diese Kinder waren anschließend verschwunden. Wenn man den Bekanntmachungen glauben konnte, waren die Gewinner und ihre mitgefangenen Familien aus der Hölle von Barony freigelassen worden. Doch Duncan hatte dafür keinen Beweis, und es gab zahlreiche Gründe, infrage zu stellen, was die Harkonnens ihm erzählten. Aber er wollte ihnen glauben, er wollte
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