Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
Gebirgsbarriere aufgeworfen hatten.
Mit der Zeit mochte seine Suche sogar fossilführende Schichten zutage fördern, Kalksteinablagerungen mit versteinerten Muscheln oder primitiven Meereslebewesen aus der feuchteren Vergangenheit des Planeten. Bis jetzt waren zumindest die dezenten Hinweise auf urzeitliche Wasserläufe für sein trainiertes Auge unübersehbar. Doch die Ausgrabung eines derartigen kryptozoischen Überbleibsels wäre der unbestreitbare Beweis für seine Theorien ...
Eines frühen Morgens fuhr Kynes mit seinem Wagen dahin, der deutliche Spuren im losen Geröll hinterließ, das von der Gebirgswand erodiert war. In dieser Gegend waren sämtliche Dörfer, von der größten bis zur armseligsten Ansiedlung, genauestens in den Karten verzeichnet, zweifellos zum Zweck der Steuererhebung und Ausbeutung durch die Harkonnens. Es war angenehm, ausnahmsweise einmal mit zuverlässigen Karten arbeiten zu können.
Er gelangte an einen Ort namens Windsack, wo es eine Wachstation und Kasernen der Harkonnen-Truppen gab, die hier ohne gegenseitige Sympathie mit den Wüstenbewohnern zusammenlebten. Kynes fuhr auf dem unebenen Gelände weiter. Er summte leise vor sich hin, während er zu den Felswänden hinaufblickte. Das Tuckern des Motors lullte ihn ein, so dass seine Gedanken abschweiften.
Als er eine Anhöhe überwunden und einer Felsnadel ausgewichen war, stieß er zu seiner Überraschung auf den Schauplatz eines kleinen, verzweifelten Kampfes. Auf der einen Seite standen sechs muskulöse, durchtrainierte Soldaten in Harkonnen-Uniformen und Körperschilden. Sie hatten ihre zeremoniellen Stichwaffen gezückt, um mit drei Fremen-Jugendlichen zu spielen, die sie in die Enge getrieben hatten.
Kynes brachte das Bodenfahrzeug abrupt zum Stehen. Die widerliche Szene erinnerte ihn daran, wie er auf Salusa Secundus einmal einen wohlgenährten Laza-Tiger beobachtet hatte, der mit einer räudigen Erdratte gespielt hatte. Der Fleischbedarf des Tigers war gesättigt, so dass er es einfach nur genoss, sich als Raubtier aufzuführen. Er hetzte das verängstigte Nagetier, fügte ihm mit langen, gekrümmten Krallen schmerzhafte, blutige Wunden zu – die gar nicht tödlich sein sollten. Kynes hatte mit leistungsfähigen Öl-Linsen beobachtet, wie der Laza-Tiger mehrere Minuten lang mit der Erdratte gespielt hatte. Schließlich hatte der Tiger dem Geschöpf gelangweilt den Kopf abgebissen und war davonspaziert, um den Kadaver für die Aasfresser zurückzulassen.
Im Vergleich dazu wehrten sich die jungen Fremen in ihren Destillanzügen heftiger als die Erdratte, obwohl sie sich nur mit primitiven Messern verteidigen konnten. Die Wüstenbewohner hatten keine Chance gegen die viel besser bewaffneten Harkonnen-Soldaten.
Aber sie wollten nicht kampflos aufgeben.
Die Fremen hoben scharfkantige Steine auf und warfen sie mit tödlicher Genauigkeit, doch die Geschosse prallten wirkungslos an den schimmernden Kraftfeldern ab. Die Harkonnens lachten und rückten weiter vor.
Kynes stieg aus seinem Gefährt und beobachtete gebannt die Szene. Er lockerte einige Riemen seines Destillanzugs, damit er sich freier bewegen konnte. Er überzeugte sich, dass die Gesichtsmaske am richtigen Platz saß, aber nicht versiegelt war. Er wusste noch nicht, ob er aus sicherer Distanz zuschauen, wie er es beim Laza-Tiger getan hatte, oder ob er auf irgendeine Weise Hilfe leisten sollte.
Die Harkonnen-Truppe war den Fremen im Verhältnis zwei zu eins überlegen, und wenn Kynes sich für die Jugendlichen einsetzte, würde er möglicherweise verletzt werden oder sich zumindest Ärger mit der Harkonnen-Macht einhandeln. Es war nicht die Aufgabe eines offiziellen Imperialen Planetologen, sich in lokale Angelegenheiten einzumischen.
Er legte eine Hand an das Messer, das er an der Hüfte trug. Jedenfalls war er bereit, auch wenn er hoffte, dass nicht mehr geschah als ein längerer Austausch von Beschimpfungen, eskalierenden Drohungen und vielleicht einem Handgemenge, das mit verletzten Gefühlen und einigen Prellungen endete.
Doch in diesem Moment änderte sich der Charakter der Auseinandersetzung – und Kynes wurde sich seiner Dummheit bewusst. Das hier war keineswegs nur ein grausames Spiel, sondern ein Konflikt, bei dem es um Leben und Tod ging.
Die Harkonnens stießen gnadenlos mit blitzenden Klingen und pulsierenden Schilden vor. Die jungen Fremen setzten sich zur Wehr. Nach wenigen Sekunden lag einer der Wüstenbewohner am Boden, und helles Blut schoss
Weitere Kostenlose Bücher