Dune - Frühe Chroniken 02 - Das Haus Harkonnen
anderen unzureichenden Mitteln unkenntlich gemacht hatten. Dann entdeckte er eine Frau mit großen Augen, ausgeprägten Wangenknochen und schmalem Kinn. Das Haar war verschnitten und zerzaust, um jeden Anschein von Schönheit zu zerstören. Er kannte sie als Miral Alechem, obwohl das bestimmt nicht ihr wirklicher Name war.
In ihrem Gesicht sah C'tair einen fernen Widerhall von Kailea Vernius, der hübschen Tochter von Graf Vernius. Er und sein Zwillingsbruder hatten gleichzeitig für Kailea geschwärmt und mit ihr geflirtet ... damals, als sie noch geglaubt hatten, dass sich niemals etwas an ihrem Leben ändern würde. Jetzt war Kailea im Exil auf Caladan, und D'murr war Gilde-Navigator geworden. Die Mutter der Zwillinge, die in der Gildebank gearbeitet hatte, war während der Invasion von Ix ums Leben gekommen. Und C'tair führte nun das Leben einer Ratte, die von einem Versteck zum nächsten huschte ...
»Ich habe die Kristalle gefunden, die Sie brauchen«, sagte er zu Miral.
Sie zog ein Paket aus einer Umhängetasche. »Und ich habe die Module, die Sie haben wollten. Sie sind exakt kalibriert ... hoffe ich zumindest. Ich hatte leider keine Möglichkeit, mich zu vergewissern.«
C'tair nahm das Paket an und verzichtete darauf, die Ware zu überprüfen. »Das kann ich selber machen.« Er reichte Miral die Kristalle, fragte sie aber nicht, was sie damit vorhatte. Jeder Anwesende versuchte auf seine Weise, etwas gegen die Tleilaxu zu unternehmen. Das allein zählte. Als er einen nervösen Blick mit ihr tauschte, fragte er sich, ob sie dasselbe wie er dachte, dass sie beide unter anderen Voraussetzungen vielleicht eine viel engere Beziehung eingehen würden. Aber er durfte nicht zulassen, dass sie ihm so nahe kam. Weder sie noch sonstwer. Eine Liebesbeziehung würde seine Entschlossenheit schwächen und ihn von seinem Ziel ablenken. Er musste sich auf das Wesentliche konzentrieren, zum Wohl von Ix.
Einer der Wachtposten an der Tür zischte. Bei diesem Alarmsignal verfielen alle in ängstliches Schweigen und duckten sich unwillkürlich. Die Leuchtgloben wurden gedimmt. C'tair hielt den Atem an.
Ein summendes Geräusch war zu hören, als eine Überwachungskapsel die stillgelegten Gebäude überflog und nach Bewegungen oder Erschütterungen forschte. Tiefe Dunkelheit umfing die versteckten Rebellen. C'tair konzentrierte sich auf die Lage aller Ausgänge dieser Fabrik, falls er in der Finsternis die Flucht ergreifen musste.
Doch die Maschine setzte summend ihren Weg durch die unterirdische Höhlenstadt fort. Kurz darauf rührten sich die Rebellen wieder, wischten sich den Schweiß von der Stirn und lachten nervös.
C'tair war die Sache zu brenzlig geworden, sodass er beschloss, nicht länger zu bleiben. Er prägte sich die Koordinaten des nächsten Treffpunkts der Gruppe ein, packte seine Sachen ein und blickte sich um. Er wollte sich ihre Gesichter merken, falls sie in der Zwischenzeit geschnappt wurden und er sie nie wiedersah.
Er nickte Miral Alechem ein letztes Mal zu und schlich sich wieder in die ixianische Nacht unter dem künstlichen Sternenhimmel hinaus. Er hatte längst beschlossen, wo er den Rest dieser Ruheschicht verbringen würde – und welche Identität er am folgenden Tag annehmen wollte.
10
Es heißt, die Fremen hätten kein Gewissen, weil sie es in ihrem brennenden Wunsch nach Rache verloren haben. Das ist Unsinn. Nur der primitivste Unhold und der Soziopath haben kein Gewissen. Die Fremen besitzen eine hoch entwickelte Weltanschauung, die auf dem Wohlergehen ihres Volkes basiert. Ihr Gemeinschaftsgefühl ist stärker als ihr Selbsterhaltungstrieb. Nur auf Außenseiter wirken diese Wüstenbewohner unzivilisiert und brutal – genauso wie Außenweltler auf sie wirken.
Pardot Kynes, Die Menschen von Arrakis
»Der Luxus ist dem Adel vorbehalten, Liet«, sagte Pardot Kynes, während das Fahrzeug rumpelnd über den unebenen Boden rollte. Wenn sie unter sich waren, konnte er den geheimen Sietch-Namen seines Sohnes verwenden und musste nicht auf die unverfängliche Bezeichnung Weichih zurückgreifen. »Auf diesem Planeten musst du dir stets deiner Umgebung bewusst sein und darfst niemals in deiner Wachsamkeit nachlassen. Wenn du diese Lektion nicht lernst, wirst du nicht lange überleben.«
Kynes bediente die Kontrollen und deutete auf das buttergelbe Morgenlicht, das über die Dünen floss. »Aber das Leben hier hat auch seine Vorzüge. Ich bin auf Salusa Secundus aufgewachsen, und
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