Dune - Frühe Chroniken 03 - Das Haus Corrino
Zucken, und die tödliche Nadel wäre in ihre Haut gedrungen und hätte sie auf der Stelle getötet.
Wenn sie feststellen, das mein Kind keine Tochter ist ...
Der völlig schwarze Raum drehte sich langsam, als stünde er in Verbindung mit dem Karussell im Palastgarten. Sie verlor jede Orientierung, bis ihr bewusst wurde, dass sie Mohiam durch die Schatten in einen Tunnel aus Licht folgte. Die zwei Frauen gelangten in einen großen, hellen Raum. Der Boden unter ihnen war eine Projektionsfläche, die mit einem schwindelerregenden Geflecht aus Schriftzeichen übersät war.
»Das sind die Namen und Codes aller Personen, die in die genetischen Programme der Schwesternschaft involviert sind«, sagte Mohiam. »Siehst du, wie sie alle von einer zentralen Abstammungslinie abzweigen? Das ist die Linie, die zwangsläufig im Kwisatz Haderach kulminieren wird.«
Der Boden leuchtete. Die Ehrwürdige Mutter zeigte auf eine Stelle, aus der Jessicas Rolle ersichtlich wurde. Die junge Frau sah ihren eigenen Namen und darüber den ihrer leiblichen Mutter, Tanidia Nerus. Vielleicht war er echt, aber wahrscheinlich nur eine Codebezeichnung. Die Schwesternschaft hatte so viele Geheimnisse. Unter den Bene Gesserit waren die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern ohne Bedeutung.
Viele Namen überraschten Jessica, doch vor allem einer: Hasimir Fenring. Sie hatte ihn am imperialen Hof gesehen, einen seltsamen Mann, der ständig dem Imperator etwas ins Ohr flüsterte. In dieser Darstellung näherte sich seine Linie dem angestrebten Höhepunkt, um kurz davor in einer genetischen Sackgasse zu enden.
»Ja«, sagte Mohiam, die bemerkt hatte, worauf sich Jessicas Aufmerksamkeit richtete. »Graf Fenring wäre beinahe der erwartete Erfolg gewesen. Seine Mutter war eine von uns und wurde sorgfältig ausgewählt. Aber letztlich schlug die Planung fehl. Er ist ein talentierter Mann, aber für unsere Zwecke nutzlos. Bis zum heutigen Tag weiß er nicht, welche Rolle er in unserem Programm spielen sollte.«
Jessica seufzte und wünschte sich, ihr Leben würde unkomplizierter verlaufen, mit klaren Antworten statt Täuschungen und Geheimnissen. Sie wollte nur Letos Sohn zur Welt bringen – aber nun wusste sie, dass ein vor Urzeiten begonnenes Kartenhaus von dieser einen Geburt abhing. Es war ungerecht.
Sie konnte diese sensorische Projektion nicht länger ertragen. Ihre Belastung war bereits so immens und persönlich, dass sie mit niemandem darüber reden konnte. Sie brauchte Zeit zum Nachdenken. Sie war verzweifelt. Sie wollte sich den prüfenden Blicken Mohiams entziehen.
Schließlich verglomm der Kristall, und Jessica fand sich auf der langsam kreisenden Bank des Karussells im imperialen Garten wieder. Hoch über ihren Köpfen übersäten Sterne das Dach des Nachthimmels. Die Ehrwürdige Mutter Mohiam und sie saßen in einem Kreis aus schimmernden Leuchtgloben.
Jessica spürte, wie das Baby in ihrem Bauch strampelte, kräftiger als je zuvor.
Mohiam streckte die Hand aus und legte sie flach auf den aufgewölbten Bauch der Konkubine. Sie lächelte, als auch sie die Bewegungen bemerkte. Ihre normalerweise stumpfen Augen funkelten. »Ja, es ist ein starkes Kind ... das ein großes Schicksal erwartet.«
90
Wir werden zum Glauben und nicht zum Wissen erzogen.
Zensunni-Aphorismus
Piter de Vries trug ein Botschaftergewand mit weiten Ärmeln, das der Mode am imperialen Hof entsprach. Er stand unauffällig im Hintergrund der Menge und musterte die Würdenträger, die das Geschehen im imperialen Audienzsaal verfolgten. In diesem Gewimmel konnte ein Mentat jede Menge Informationen sammeln.
Er hatte sich unbemerkt näher geschlichen, bis sich Herzog Letos schwangere Konkubine direkt vor ihm befand. Sie war in Begleitung von Margot Fenring, der jungen Prinzessin Irulan und zwei weiterer Bene-Gesserit-Schwestern. Er konnte die Atreides-Hure riechen und sah, wie das Licht golden auf ihrem bronzefarbenen Haar spielte. Wunderschön. Selbst während sie mit Letos Bastard hochschwanger war, blieb sie begehrenswert. Mit seinen diplomatischen Zeugnissen war es ihm gelungen, sich auf einen Beobachtungsposten zu begeben, von dem aus er Jessica im Auge behalten und Gesprächsfetzen aufschnappen konnte, die sich bei der Planung der kühnen Tat, die er im Sinn hatte, als nützlich erweisen mochten.
Hoch auf dem Goldenen Löwenthron saß Shaddam IV. und hörte dem Grafen des Hauses Novebruns zu, der den Antrag gestellt hatte, dass dem Haus Taligari das
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