Dune Legenden 01 - Butlers Djihad
trauern, also war es Selim, der nach den Gerechtigkeitsvorstellungen der Zensunni verstoßen wurde.
Eine krächzende Stimme sagte: »Mögen die Würmer deine faule Haut ausspucken.« Das war die alte Glyffa, die einst wie eine Mutter zu ihm gewesen war. »Dieb! Wasserräuber!«
Von den Höhlen warf der Stamm mit Steinen nach ihm. Ein scharfkantiger Brocken schlug gegen das Tuch, das er sich zum Schutz vor der Sonne um den Kopf gewickelt hatte. Selim duckte sich, aber er gönnte ihnen nicht das Vergnügen einer ängstlichen Reaktion. Man hatte ihm nahezu alles genommen, aber so lange er noch atmen konnte, blieb ihm immer noch sein Stolz.
Naib Dhartha, der Sietch-Führer, beugte sich nach draußen. »Der Stamm hat gesprochen.«
Es würde ihm nichts nützen, wenn er seine Unschuld beteuerte oder sich mit Erklärungen oder Entschuldigungen zu rechtfertigen versuchte. Mit sicheren Schritten lief der junge Mann den steilen Pfad hinunter. Er bückte sich und hob einen handlichen Stein auf, dann schaute er finster zu seinem Volk hinauf.
Selim war schon immer ein guter Werfer gewesen. Er hatte immer wieder Raben, Känguruhmäuse oder Eidechsen für den Kochtopf der Gemeinschaft erlegt. Wenn er sorgfältig zielte, konnte er dem Naib ein Auge aus dem Schädel schlagen. Selim hatte gesehen, wie Dhartha leise mit Ebrahims Vater geflüstert hatte, wie sie ihren Plan ausgeheckt hatten, die Schuld vom verantwortlichen Jungen auf ihn abzuwälzen. Sie hatten Selims Bestrafung beschlossen und die Wahrheit unterdrückt.
Naib Dhartha hatte dunkle Augenbrauen und pechschwarzes Haar, das mit einem stumpfen Metallring zu einem Pferdeschwanz zusammengerafft war. Eine dunkelrote Tätowierung aus Winkeln und geraden Linien zierte seine linke Wange. Seine Frau hatte sie ihm mit einer Stahlnadel und dem Saft einer Inkvine-Ranke, die die Zensunni in ihren Glasgärten kultivierten, ins Gesicht geritzt. Der Naib schaute nach unten, als wollte er Selim herausfordern, den Stein zu werfen, weil das Volk dann mit einem Hagel aus viel größeren Steinen reagieren würde.
Aber eine solche Strafe würde ihn viel zu schnell töten. Stattdessen vertrieb der Stamm den jungen Selim aus der eng verwobenen Gemeinschaft. Und wer ohne jede Hilfe war, überlebte auf Arrakis nicht lange. Die Existenz in der Wüste erforderte Zusammenarbeit, jeder trug seinen Teil zum Gelingen bei. Die Zensunni betrachteten den Diebstahl – insbesondere von Wasser – als größtes vorstellbares Verbrechen.
Selim steckte den Stein in die Tasche. Ohne auf das spöttische Gejohle und die Beleidigungen zu achten, setzte er den umständlichen Abstieg in die offene Wüste fort.
Dhartha rief mit einer Stimme, die wie das tiefe Heulen eines Sturmwindes tönte: »Selim, der du weder Vater noch Mutter hast, Selim, der du einst als Mitglied unseres Stammes willkommen warst – du wurdest für schuldig befunden, Wasser gestohlen zu haben. Also musst du nun über den Sand fortziehen.« Dhartha hob die Stimme und schrie, bevor der Verbannte außer Hörweite war: »Möge Shaitan an deinen Knochen ersticken.«
Sein ganzes Leben lang hatte Selim härter als die meisten anderen gearbeitet. Weil seine Eltern unbekannt waren, hatte der Stamm es von ihm verlangt. Niemand hatte ihm geholfen, wenn er krank wurde, außer der alten Glyffa; niemand hatte ihm einen Teil seiner Last abgenommen. Er hatte beobachtet, wie sich einige seiner Gefährten vom übermäßigen Wasseranteil ihrer Familie satt getrunken hatten, darunter auch Ebrahim. Und doch hatte der Junge den halb vollen Literjon mit abgestandenem Wasser geleert, in der trügerischen Hoffnung, dass es niemand bemerken würde. Für Ebrahim war es ein Leichtes gewesen, die Schuld auf seinen angeblichen Freund zu schieben, als der Diebstahl entdeckt wurde ...
Dhartha hatte sich geweigert, dem Verstoßenen auch nur den kleinsten Wasserbeutel für die Reise mitzugeben, weil es eine Vergeudung der Vorräte des Stammes gewesen wäre. Ohnehin erwartete niemand, dass Selim länger als einen Tag überlebte, selbst wenn es ihm gelang, den furchterregenden Ungeheuern der Wüste zu entrinnen.
Er brummte so leise, dass keiner ihn hören konnte: »Möge sich dein Mund mit Staub füllen, Naib Dhartha.« Er lief weiter den Pfad hinunter, während sein Volk ihn mit Flüchen bedachte. Ein kleiner Stein flog an ihm vorbei.
Als er am Fuß der Felsklippe stand, die Schutz vor der Wüste und den Sandwurmdämonen bot, marschierte er in gerader Linie los. Er
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