Dune Legenden 01 - Butlers Djihad
wollte diesen Ort so schnell wie möglich hinter sich lassen. Zweifellos wunderte sich der Stamm, warum er sich freiwillig in die Dünen hinauswagte, statt sich in einer Höhle in den Felsen zu verkriechen.
Was habe ich noch zu verlieren?
Selim hatte beschlossen, dass er auf keinen Fall zurückkehren und um Hilfe flehen würde. Also schritt er erhobenen Hauptes über die Dünen. Er würde eher sterben, als sie um Vergebung zu bitten. Ebrahim hatte gelogen, um sein eigenes Leben zu retten, doch Naib Dhartha hatte in Selims Augen ein viel schwereres Verbrechen begangen, indem er bewusst einen unschuldigen Jungen zum Tode verurteilte, weil es aus stammespolitischen Gründen angebracht war.
Selim besaß ausgezeichnete Wüstenfähigkeiten, aber Arrakis war eine extrem lebensfeindliche Welt. Während der Jahrhunderte, seit die Zensunni sich hier angesiedelt hatten, war nie jemand aus der Verbannung zurückgekehrt. Die Wüste hatte jeden spurlos verschluckt. Der junge Mann marschierte in die Einöde hinaus und hatte kaum etwas dabei – nur ein Seil, das über seiner Schulter hing, einen kurzen Dolch an seinem Gürtel und einen zugespitzten Gehstock aus Metall, den er sich vom Schrottplatz des Raumhafens von Arrakis City geholt hatte.
Vielleicht konnte Selim sich dorthin wenden und in den Handelsniederlassungen Arbeit finden. Er würde gelandete Raumschiffe be- und entladen, die von Planet zu Planet flogen und oftmals Jahre für jede Passage benötigten. Doch solche Schiffe besuchten Arrakis nur selten, da die Welt weitab der regulären Flugrouten lag. Und wenn Selim sich den Fremden von anderen Planeten anschloss, würde er vielleicht zu viel von seiner eigenen Persönlichkeit aufgeben müssen. Es wäre besser, allein in der Wüste zu leben – falls er dort überleben konnte ...
Er steckte einen weiteren scharfkantigen Stein ein, den jemand aus den Höhlen nach ihm geworfen hatte. Als der Bergrücken in der Ferne schrumpfte, fand er einen dritten, der sich hervorragend als Wurfgeschoss eignete. Irgendwann würde er sich etwas Essbares erjagen müssen. Wenn er das feuchte Fleisch einer Eidechse aussaugte, würde er ein wenig länger überleben.
Während er tiefer in die gnadenlose Wüste vorstieß, blickte Selim zu einem langen Felsrücken hinüber, der weit von den Zensunni-Höhlen entfernt lag. Dort wäre er außer Reichweite des Stammes, aber er konnte an jedem Tag, den er in der Verbannung überlebte, über sie lachen. Er konnte ihnen eine lange Nase drehen und den Naib mit Beleidigungen bedenken, die niemals seine Ohren erreichen würden.
Selim stieß den Gehstock in die weichen Dünen, als wollte er einen Feind erstechen. Er zeichnete ein lästerliches buddhislamisches Symbol in den Sand und fügte einen Pfeil hinzu, der auf die Felshöhlen des Stammes zeigte. Diese kleine Rache verschaffte ihm eine gewisse Genugtuung, auch wenn der Wind die Beleidigung nach spätestens einem Tag ausgelöscht haben würde. Mit leichteren Schritten bestieg er eine hohe Düne und ließ sich auf der anderen Seite hinunterrutschen.
Er stimmte ein traditionelles Lied an, um seine gute Laune zu wahren, und beschleunigte seine Schritte. Der ferne Felsrücken schimmerte im Nachmittagslicht, und er versuchte sich einzureden, das die Formation einen einladenden Eindruck machte. Sein Wagemut steigerte sich, je mehr Abstand er zu seinen Peinigern gewann.
Doch als er weniger als einen Kilometer vom schützenden schwarzen Fels entfernt war, spürte Selim, wie der lose Sand unter seinen Füßen zitterte. Plötzlich wurde er sich der Gefahr bewusst und bemerkte eine wellenförmige Bewegung in der Wüste, die verriet, dass sich ein großes Geschöpf tief unter den Dünen hindurchschob.
Selim rannte los. Er hastete über den weichen Dünenkamm und achtete darauf, nicht zu stürzen. Er blieb auf dem Kamm, obwohl er wusste, dass auch diese hohe Düne kein Hindernis für den anrückenden Sandwurm darstellte. Der Felsrücken war immer noch viel zu weit entfernt, während sich der Dämon unaufhaltsam näherte.
Selim riss sich zusammen und hielt an, obwohl sein panisches Herz ihn zur Flucht drängte. Würmer folgen jeder Vibration, und er war wie ein verängstigtes Kind davongelaufen, statt bewegungslos zu erstarren, wie es der listige Wüstenhase tat. Dieses Monster hatte ihn zweifellos längst ins Visier genommen. Wie viele andere vor ihm waren vor Entsetzen auf die Knie gefallen, um ein letztes Gebet zu sprechen, bevor sie verschlungen wurden?
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