Dune Legenden 01 - Butlers Djihad
menschlichen Komponisten entwickelt wurden. Die einzige Kreativität, die ich darin gehört habe, entstammt dem Geist dieser Komponisten, nicht Ihrem. Ihre Musik ist eine mathematische Extrapolation, aber sie hat mich in keiner Weise inspiriert. Die Melodie, die Sie ... produziert haben, erweckte in mir keine Empfindungen. Es gab kein neuartiges Element, das Sie hinzugefügt haben, nichts, das meine Gefühle ergriffen hat.«
»Wie soll ich eine solche Zutat quantifizieren?«
Serena zwang sich zu einem Lächeln und schüttelte den Kopf. »Genau da liegt Ihr Fehler, Erasmus. Es ist unmöglich, Kreativität zu quantifizieren. Was genau geschieht, wenn ein Mensch ein Gewitter erlebt und diese Erfahrung benutzt, um die ›Wilhelm-Tell-Ouvertüre‹ zu schreiben? Sie würden einfach nur die Geräusche des Donners und Regens imitieren, Erasmus, aber Sie könnten beim Zuhörer nie die Impression eines Gewitters erwecken. Was hat Beethoven getan, als er eine idyllische Wiese betrachtete und dann seine ›Pastorale‹ komponierte? Musik sollte den Geist auf eine Reise mitnehmen, sie soll uns den Atem rauben und unsere Seele berühren. Sie haben lediglich ... angenehme Töne gespielt.«
Es dauerte mehrere Sekunden, bis der Roboter seinen Gesichtsausdruck verändert hatte. Schließlich sah er sie mit Verblüffung, vielleicht sogar mit einer Spur Trotz an. »Mit Ihrer Meinung scheinen Sie sich in der Minderheit zu befinden. Dem übrigen Publikum hat das Werk sehr gefallen. Haben Sie nicht den tosenden Applaus bemerkt?«
Serena seufzte. »Erstens haben diese Sklaven keine Ahnung von klassischer Musik, weil ihnen die Vergleichsbasis fehlt. Sie hätten genauso gut irgendeine klassische Symphonie nachspielen und sie als Ihre eigene Schöpfung ausgeben können. Diese Menschen hätten keinen Unterschied bemerkt. Und zweitens war es für sie wahrscheinlich der angenehmste Auftrag ihres Lebens, sich in guter Kleidung in einen sauberen Konzertsaal setzen zu müssen. Allein das wäre ein hinreichender Grund für frenetischen Jubel.«
Sie sah ihn aufmerksam an. »Und schließlich haben Sie ihnen befohlen zu klatschen. Wie hätten sie anders reagieren können, während ihnen bewusst ist, dass Sie sie jeden Moment töten könnten? Unter solchen Bedingungen können Sie keine gerechte und ehrliche Reaktion erwarten, Erasmus.«
»Ich verstehe es nicht, ich kann es nicht verstehen.« Erasmus wiederholte diese Worte mehrere Male. Unvermittelt fuhr er herum und schlug mit einer Metallpolymerfaust in das Gesicht eines Mannes, der gerade an ihnen vorbeiging. Das von dem unerwarteten Hieb getroffene Opfer taumelte blutend über mehrere Stühle und brach zusammen.
»Warum haben Sie das getan?«, wollte Serena wissen und eilte hinüber, um dem Mann zu helfen.
»Das war mein künstlerisches Temperament«, sagte Erasmus gelassen. »So bezeichnen es die Menschen doch, nicht wahr? Er hat versucht, mich über seine wahren Empfindungen zu täuschen.«
Sie versuchte den Mann zu beruhigen, doch als er aufblickte und den Roboter sah, kroch er hastig davon, während er sich mit einer Hand die heftig blutende Nase hielt. Serena wandte sich wieder Erasmus zu. »Wahre Künstler sind empfindsam und mitfühlend. Sie haben es nicht nötig, Menschen zu verletzen, damit sie etwas empfinden.«
»Sie haben keine Angst, ehrlich Ihre Meinung zu sagen, auch wenn Sie glauben, sie könnte mir missfallen?«
Serena blickte ihm direkt ins Gesicht. »Sie halten mich gefangen, Erasmus. Sie behaupten, dass Sie an meinen Ansichten interessiert sind, also teile ich sie Ihnen mit. Sie können mir Schmerzen zufügen, Sie können mich sogar töten, aber Sie haben mir bereits alles geraubt, mein Leben und den Mann, den ich liebe. Dagegen verblasst jeder weitere Schmerz.«
Erasmus musterte sie und versuchte den Sinn ihrer Worte zu analysieren. »Menschen sind äußerst irritierende Wesen – und ganz besonders Sie, Serena Butler.« Sein Flussmetallgesicht nahm einen lächelnden Ausdruck an. »Aber ich werde mich weiter bemühen, Sie zu verstehen. Vielen Dank für diese Informationen.«
Als Serena den Saal verließ, kehrte Erasmus ans Piano zurück, um noch ein wenig zu spielen.
86
In erster Linie bin ich ein Mann der Ehre. So möchte ich den Menschen im Gedächtnis bleiben.
Xavier Harkonnen
Die Zeit, die er mit Serena verbracht hatte, kam ihm nun wie ein flüchtiger Traum vor.
Xavier konnte sich nicht an den genauen Verlauf des Weges erinnern, den sie durch den
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