Dune Legenden 01 - Butlers Djihad
von der wahren Geschichte.«
Er runzelte die Stirn. »Die Wahrheit ist die Wahrheit. Wie kann es unterschiedliche Versionen desselben Ereignisses geben?«
Serena seufzte, als wäre er ein kleines Kind, das sich begriffsstutzig anstellte. »In mancher Hinsicht besitzen Sie weniger Intelligenz und Bewusstsein als eine Maschine, Vorian Atreides, weil Sie nicht erkennen, dass Sie eine Wahl haben. Und weil Sie glauben, nichts Falsches zu tun.« Er bemerkte den Hauch eines resignierenden Lächelns auf ihren Lippen. »Doch welchen Sinn hat es, auf jemanden zornig zu sein, der in einer so großen Selbsttäuschung lebt?« Sie wurde wieder brüsk. »Vielleicht schämt sich Agamemnon, Ihnen den Zugang zu wahren Geschichtsdaten zu gestatten. Haben Sie sich jemals die Mühe gemacht, die Fakten zu überprüfen, oder wollen Sie gar nicht an den Abenteuergeschichten Ihres Vaters zweifeln?«
Vor reckte das Kinn. Er war sich nicht sicher, wie er ihre Stimmung deuten sollte. »Ich bin ein Trustee. Ich habe Zugang zu sämtlichen historischen Daten.« Seine Gedanken rasten.
»Dann stellen Sie eigene Nachforschungen an. Sie haben jede Menge Zeit, über alles nachzudenken, während Sie mit ihrem Schiff unterwegs sind.«
Im schmucklosen Aufenthaltsraum verbreiteten die durchscheinenden Plazwände ein helles gelbes Licht. Ständig veränderten sich die Eigenschaften der Oberfläche, sodass die Farbe allmählich wechselte und nun sanfter wurde. Serena führte ihn zu einem metallisch-braunen Diwan. »Erasmus hat angeordnet, dass wir hier auf ihn warten.« Es bereitete ihr einige Mühe, neben ihm Platz zu nehmen. »Wir beide.«
Er spürte ihre Nähe und war sich deutlich der Wölbung ihres Bauches unter dem Kleid bewusst. Zwischen ihnen blieb nicht viel Raum, was Erasmus zweifellos beabsichtigt hatte. Ansonsten befanden sich keine weiteren Möbel im Zimmer. Vors Puls raste, während er in beklommenem Schweigen dasaß und auf den Roboter wartete. Es schien ihm völlig sinnlos zu sein, sich Hoffnungen auf Serena Butler zu machen.
* * *
Erasmus, der die beiden Menschen über einen Wandbildschirm beobachtete, war von ihrer Körpersprache fasziniert. Wie sich ihre Blicke trafen und sie sofort in andere Richtungen schauten. Trotz Serenas Loyalitätskonflikt fand sie diesen jungen Mann zweifellos attraktiv. Und Vorian Atreides war offensichtlich von ihr hingerissen.
Erasmus hatte das menschliche Fortpflanzungsverhalten gründlich studiert, aber diesmal lief es anders ab. Ihr Zusammenspiel war wesentlich komplexer als alles, was er unter den Sklaven beobachtet hatte, die in Gefangenschaft aufgewachsen waren.
Nach längerem Schweigen sagte Serena schließlich: »Man sollte meinen, dass ein Roboter seinen Zeitplan besser im Griff hat.«
Vor lächelte ihr zu. »Es macht mir nichts aus, zu warten.«
Serena schien nicht dieser Meinung zu sein, aber sie vergaß nicht, sein Lächeln zu erwidern.
Faszinierend! In den Werken der klassischen Lyrik und Prosa hatte Erasmus von den Geheimnissen der romantischen Liebe gelesen, aber dieses Phänomen nie direkt beobachten können. Vor siebenunddreißig Jahren hatte er ein junges Liebespaar entdeckt, das sich immer wieder davongeschlichen hatte, um sich zu einem heimlichen Stelldichein zu treffen. Er hatte die beiden natürlich erwischt – Menschen waren so unbeholfen, wenn sie sich davonstehlen wollten – und ihre Pflichtvernachlässigung mit dauerhafter Trennung bestraft. Er hatte es für eine angemessene Reaktion gehalten. Wenn er ihnen dieses Ausmaß an Unabhängigkeit erlaubt hätte, wären vielleicht auch die anderen Sklaven davon angesteckt worden.
Anschließend hatte er diese Maßnahme jedoch bereut und sich gewünscht, er hätte ihr Verhalten weiter beobachten können.
Für diese beiden hatte er einen besser durchdachten Plan gefasst. Ihre Umwerbung war für ihn ein weiteres Experiment – das völlig anders war als das Projekt der imaginären Rebellen, das er im Zuge der Wette mit Omnius verfolgte. Es war wichtig, Menschen bei natürlichen Verhaltensweisen zu beobachten.
Und manchmal war es nötig, sie zu täuschen.
Während das Paar unruhig wartete, registrierte Erasmus jede Geste, jeden Augenaufschlag, jede Lippenbewegung, jedes Wort und jeden Tonfall. Sie waren nervös und wussten nicht, wie sie in dieser ungewöhnlichen Situation reagieren sollten.
Vorian Atreides schien jedoch mehr Gefallen daran zu finden als Serena. »Erasmus behandelt Sie gut«, sagte er, als wollte er sie
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