Dune Legenden 02 - Der Kreuzzug
Über hundert Männer und Frauen suchten ihn regelmäßig auf – der überwiegende Teil der Arbeitssklaven.
Zuerst hatte Ishmael nicht geglaubt, dass er dazu fähig wäre. Wie konnte er die Koran-Sutras rezitieren und Gott mit Liedern lobpreisen, wenn Ozza nicht neben ihm saß, wenn seine hübschen Mädchen nicht auf der anderen Seite des Lagerfeuers seinen Gleichnissen lauschten? Doch Ishmael war stärker geworden und hatte erkannt, dass er niemals alles verlieren konnte. Er hatte eine große Kraft in sich, auch wenn Aliid nichts davon bemerkte.
Als aus den Monaten ein Jahr wurde, sah Ishmael jedoch einen immer deutlicher und breiter werdenden Riss, der sich zwischen seinen Zensunni-Brüdern und der kleineren Gruppe der Zenschiiten um Aliid öffnete. Sie arbeiteten weiterhin zusammen im isolierten Hangar, wo Norma Cevna und ihre Leute am ausgeschlachteten Frachtschiff herumbastelten, aber er spürte, dass Aliid Geheimnisse hatte, die er nicht nur vor den Sklavenhaltern von Poritrin, sondern auch vor Ishmael und seinem Volk verbarg ...
* * *
Ein heller Lichtschein fiel in Ishmaels Leben, so plötzlich wie das grelle Feuerwerk, das die Aristokraten von Poritrin immer wieder bei ihren Flussfesten abbrannten. Die Neuigkeit kam unerwartet, aber sie war keineswegs unwillkommen.
Als der massive Schiffsprototyp für die letzten Tests und ersten Vorführungen bereit war, holte Tuk Keedair eine neue Sklavengruppe aus Starda, die die kolossalen Maschinen bedienen und bei den abschließenden Vorbereitungen behilflich sein sollte. Unter den fünfzehn missmutigen Arbeitern erkannte Ishmael erstaunt seine älteste Tochter Chamal.
Sie erkannte ihn, und ihre Miene erblühte wie eine wunderbare Blume. Ishmaels Herz klopfte, und er wollte zu ihr eilen, aber die neuen Sklaven wurden von bewaffneten Wächtern eskortiert. Außerdem betrachtete Keedair die Neuankömmlinge durch schmale Augenschlitze, als würde er eine stumme Inventur durchführen.
Ishmael erinnerte sich an Lord Bludds Rachsucht. Immerhin hatte er angeordnet, dass seine Familie auseinander gerissen wurde, nur weil er um ein wenig Entgegenkommen gebeten hatte. Jetzt durfte er es nicht riskieren, auf sich oder Chamal aufmerksam zu machen.
Ishmael gab seiner Tochter ein knappes Zeichen, schüttelte den Kopf und wandte den Blick ab. Sie würden später miteinander reden. An diesem Abend würden sie sich in die Arme schließen und sich flüsternd ihre Erlebnisse erzählen. Fürs Erste wagte er es nicht, seine Freude zu zeigen, weil er befürchtete, dass die Sklavenhalter ihm auch das sofort wieder nehmen würden ...
Der Rest des Tages war für ihn eine einzige Qual. Die neue Sklavengruppe wurde in einem anderen Teil des Lagers eingewiesen und ausgebildet. Sogar die Sonne schien am Himmel stehen geblieben zu sein, damit die Zeit für Ishmael unendlich langsam verging.
Doch als die lange Arbeitsschicht vorbei war und die Zensunni sich in ihre Baracke zurückzogen, umarmte Ishmael seine Tochter, und beide weinten. Eine Zeitlang waren sie nur glücklich, sich endlich wiedergefunden zu haben, und sprachen überhaupt nicht miteinander.
Schließlich platzte Chamal mit der Geschichte heraus, wie sie von ihrer Mutter und jüngeren Schwester getrennt worden war. Soweit sie wusste, hatte man Ozza und die kleine Falina auf die Zuckerrohrfelder auf der anderen Seite des Kontinents gebracht. Seit einem Jahr hatte sie nichts mehr von ihnen gehört.
Nachdem sie mehrere Stunden lang mit Ishmael geredet hatte, rief Chamal einen jungen, energisch wirkenden Mann namens Rafel herbei. Sie nahm seine Hand und zog ihn näher heran, um ihn ihrem Vater vorzustellen. Er schien etwas eingeschüchtert zu sein, als hätte er schon viel über Ishmael gehört. Sie sagte: »Dieser Mann ist mein Ehemann. Als ich mit sechzehn ein heiratsfähiges Alter erreichte, wurden wir ein Paar.« Sie senkte den Blick ihrer dunklen Augen, um Ishmaels offensichtlicher Überraschung auszuweichen. »Ich hatte sonst niemanden, Vater.«
Er zeigte keinerlei Missfallen, aber insgeheim konnte er es nicht recht fassen, dass seine Tochter – die er immer noch als kleines Mädchen gesehen hatte – nun erwachsen und eine verheiratete Frau war. Ishmael lächelte herzlich und hieß beide willkommen. »Er scheint ein guter Mann für dich zu sein.«
Rafel verbeugte sich leicht. »Ich werde mir alle Mühe geben, es zu sein, zum Wohl deiner Tochter und unseres Volkes.«
Chamal stand stolz an der Seite ihres jungen
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