Dune Legenden 02 - Der Kreuzzug
mit dem einzigen Fahrzeug der Gruppe aufgebrochen und niemals zurückgekehrt. Es war schon viel zu lange her. Nachdem wochenlang nichts geschehen war, hatte Chamal aufgehört, jeden Tag damit zu rechnen, dass Rafels Expedition zurückkam und gute Neuigkeiten und frische Vorräte mitbrachte.
Ishmael erkannte in ihren Augen, dass ihr sämtliche Möglichkeiten durch den Kopf gegangen waren. Hatten sie sich verirrt, waren sie in einem Sturm abgestürzt oder von Tuk Keedair ermordet worden? Niemand konnte sich vorstellen, dass sie den Kontakt zur Zivilisation gefunden hatten, ohne dass es ihnen gelungen war, Hilfe zu schicken.
Ishmael lehnte sich gegen einen rauen Felsblock, hielt seine Tochter in den Armen und wünschte sich, sie wäre wieder ein kleines Mädchen mit den Sorgen eines kleinen Mädchens. Sie hatte ihren Ehemann verloren, und nun war Ishmael ihr einziger Halt. Aber auch er hatte Ozza zurückgelassen und würde voraussichtlich für den Tod all dieser Zensunni-Flüchtlinge verantwortlich sein. Was hatte ihnen die Flucht genützt? Vielleicht wäre es doch besser für sie gewesen, wenn sie sich Aliids Kampf angeschlossen hätten. Ishmael hoffte, dass die Zenschiiten auf dem fernen Poritrin Erfolg gehabt hatten – auch wenn er es bezweifelte. Wahrscheinlich würde er es nie erfahren.
Trotz aller Entbehrungen weigerte er sich, seine Entscheidung zu bereuen. Er wollte lieber in diesem Inferno verhungern, als sich des Mordes schuldig machen – und sei es der Mord an Sklavenhaltern. »Gott muss einen Grund gehabt haben, dass er uns hierher schickte«, murmelte er, als wollte er Chamal trösten. »Vielleicht dauert es tausend Jahre, bis unser Volk den Grund herausfindet.«
Für den Rest der Menschheit waren Ishmael und seine Anhänger aus dem Universum verschwunden. Die Zensunni hatten ihr Lager rund um die Absturzstelle aufgeschlagen. Sie schlachteten das Testschiff aus und demontierten jeden Fetzen brauchbaren Materials. Einige Leute hatten geschickt konstruierte Fallen und Filter gebaut, die den Tau sammelten, aber dadurch gewannen sie nicht genügend Feuchtigkeit, um das Überleben aller zu gewährleisten.
Am letzten verzweifelten Tag vor der Flucht hatten Ishmaels Sklaven in der Hektik nur die Dinge eingepackt, die sie in Norma Cevnas Forschungshangar gefunden hatten, sodass es nun am Allernotwendigsten fehlte. Der Schiffsprototyp war nicht darauf ausgelegt gewesen, hundert Zensunni ohne jede Ausrüstung an einen sicheren Ort zu bringen. Selbst die pessimistischsten Vertreter hatten nie damit gerechnet, dass sie in einer so trostlosen Einöde landen würden.
Arrakis kannte kein Mitleid und kein Entgegenkommen.
Nachdem sie einen Monat lang auf Retter gewartet hatten, war eine Gruppe noch halbwegs kräftiger Freiwilliger in der Kühle des Sonnenuntergangs zu Ishmael gekommen. Ihre Augen waren gerötet, ihre Unterkiefer angespannt.
»Wir brauchen einen Kompass, Wasser und etwas zu essen«, sagte der Mann, der zum Sprecher ernannt worden war. »Wir sechs wollen zu Fuß durch die Wüste ziehen und versuchen, Arrakis City zu finden. Das ist vielleicht unsere letzte Chance.«
Er konnte ihnen dieses Ansinnen nicht verbieten, auch wenn er sich praktisch sicher war, dass der Versuch scheitern würde. »Gott führt uns. Folgt seinem Weg, spürt ihn in euren Herzen. In den Sutras heißt es: ›Der Weg zu Gott ist für die Ungläubigen unsichtbar, doch selbst ein Blinder, der glaubt, kann ihn deutlich erkennen.‹«
Der Mann hatte genickt. »Ich hatte einen Traum, in dem ich mich sah, wie ich über die Dünen ging. Ich glaube, Gott will, dass ich es versuche.« Ishmael konnte diesem Argument und seiner Tapferkeit nicht widersprechen.
Die Gruppe wollte nur eine kleine Wasserflasche und Nahrung für eine Woche mitnehmen. Wenn sie in dieser Zeit keine andere Siedlung fanden, würden sie die Rückkehr nicht mehr schaffen. »Es ist besser, beim Versuch zu sterben, unserem Volk zu helfen«, sagte der Anführer, »als hier zu warten, bis der Tod uns zu seinen eigenen Bedingungen holt.«
Während Chamal mit ihrem Vater unter dem sternenklaren Himmel stand, umarmte er jeden einzelnen der mutigen Freiwilligen. Dann zogen die Männer in die Richtung los, die jener entgegengesetzt war, in die Rafel mit dem Erkundungsschiff geflogen war. Sie nutzten die kühle Nacht, um voranzukommen. Ishmael blickte ihren Schatten nach, die sich den Felshang hinunter und über die Leere der Dünen bewegten ...
Nun, eine Stunde vor der
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