Dune Legenden 03 - Die Schlacht von Corrin
desorientiert oder aufgebracht. Andere hatten körperliche Beeinträchtigungen erlitten und konnten infolge gerissener Sehnen weder stehen noch gehen. Dahingeraffte lagen wie aufgestapeltes Brennholz auf den Straßen. Ausgezehrte Arbeitstrupps luden die Leichen auf große Fahrzeuge und schafften sie fort, doch es war offenkundig, dass das Ausmaß der Epidemie die Einsatzkräfte überforderte.
Als Nächstes suchte Vorian den Gouverneurswohnsitz auf. Das große Anwesen stand leer, war jedoch nicht geplündert worden. Auf seine mehrmaligen Rufe antwortete niemand. In dem Familienwohnräumen entdeckte er zwei Leichen, eine Frau und einen Mann – ohne Zweifel Rikov und Kohe Butler. Für einen langen Moment betrachtete er sie, dann durchsuchte er oberflächlich auch die übrigen Räumlichkeiten, aber fand sonst niemanden vor, weder ihre Tochter Rayna noch Haushaltspersonal. Nur seine Schritte und das Summen der Fliegen erfüllten die Villa noch mit Leben.
In einem Slum der Innenstadt entdeckte er ein aus rosaroten Ziegeln erbautes Gebäude, an dessen Außenmauern Efeu emporwucherte, eine Einrichtung mit der Bezeichnung »Klinik für Unheilbare Erkrankungen«. Offenbar hatten Mohandas Suk und Raquella in der Wiederbesiedelungsphase Parmentiers ein Krankenhaus mit angeschlossenem Forschungszentrum gegründet. Vorian erinnerte sich, etwas darüber gelesen zu haben.
Falls Raquella noch lebte, war sie gewiss hier anzutreffen.
Vorian legte eine Atemmaske an – mehr, um den Gestank abzuhalten, als dass er sich davon Schutz versprach – und betrat das überfüllte Foyer der Klinik. Zwar war das Gebäude noch relativ neu, aber in den letzten Wochen, in denen es stark beansprucht und wenig gepflegt geworden war, weil Horden verzweifelter Kranker es gestürmt hatten, war es sichtlich in Mitleidenschaft gezogen worden.
Nachdem er eine unbesetzte Rezeption passiert hatte, schaute Vorian sich in einer Etage nach der anderen um. In den Abteilungen herrschten so elende Zustände und eine solche Überfüllung wie in den Sklavenbaracken, die der unabhängige Roboter Erasmus früher auf der Erde unterhalten hatte. Überall lagen Menschen wie zerbrochene Puppen herum, infolge einer unerklärlichen Häufung von Sehnenrissen verkrüppelt. Selbst jene, die sich von der Krankheit erholt hatten, waren nicht imstande, für sich selbst zu sorgen oder anderen Betroffenen zu helfen.
Das Klinikpersonal trug Atemmasken sowie transparente Folien über den Augen. Letztere sahen wie luftdichte Augenbinden aus und hatten den Zweck, die feuchten Schleimhäute der Augen vor dem Virus zu schützen. Trotz dieser Vorkehrungen waren einige Ärzte offensichtlich krank. Vorian überlegte, welche Dauer die Inkubationszeit der Seuche haben mochte, wie viele Tage lang die Mediziner die Kranken noch behandeln konnten, bis sie selbst zu todgeweihten Patienten wurden.
Immer wieder erkundigte er sich bei erschöpften Krankenschwestern und Ärzten, ob ihnen Raquella Berto-Anirul bekannt war. Jemand schickte ihn in die sechste Etage. Vorian begab sich in diese genauso schauderhafte, hoffnungslose Abteilung und beobachtete seine Enkelin zunächst aus einigem Abstand. Er suchte nach Ähnlichkeiten mit ihrer Großmutter, doch nach so langer Zeit erinnerte er sich nicht mehr allzu deutlich an Karida Julan.
Während sie von Bett zu Bett eilte, erweckte Raquella den Eindruck einer starken Persönlichkeit. Durch die Klarplaz-Atemmaske und die transparente Augenschutzfolie konnte Vorian ihr Gesicht sehen. Aufgrund des Schlafmangels und unzureichender Ernährung hatte sie eingefallene Wangen mit dunklen Flecken. Sie hatte eine Stupsnase und trug das goldbraune Haar zu einem geflochtenen Knoten gebündelt, damit es ihr bei der Arbeit nicht im Weg war. Ihre schlanke Gestalt bewegte sich anmutig, fast wie eine Tänzerin. Obwohl ihre Miene stumpf und grimmig war, wirkte sie nicht hoffnungslos.
In einer Abteilung mit hundert Betten schufteten Raquella und ein hagerer Arzt unermüdlich, jeder beschäftigte sich mit einem Kranken oder Sterbenden. Anderes Personal entfernte Verstorbene, um Platz für ausgezehrte, in tödliches Fieberkoma gefallene Opfer zu machen.
Einmal blickte sie in Vorians Richtung, und er sah, dass Raquellas Augen einen beeindruckenden hellblauen Farbton hatten. Sein Vater, der berüchtigte Agamemnon, hatte vor Jahrhunderten, als er noch in menschlicher Gestalt existierte, bevor er zu einem Cymek geworden war, hellblaue Augen gehabt ...
Als Vorian ihren
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