Dungirri 01 - Schwarze Dornen
aber die Angst laugt einen aus. Das habe ich bei meiner Mutter erlebt. An dem Abend, als der Superintendent vor der Tür stand, wusste sie schon Bescheid, noch bevor er auch nur ein einziges Wort gesagt hatte. Sie ist auf der Türschwelle einfach zusammengebrochen. Meinst du vielleicht, ich will Bella dasselbe oder noch Schlimmeres antun?«
»Deine Eltern haben sich sehr geliebt, und sie hatten vierzehn überaus glückliche Jahre miteinander. Glaubst du ernsthaft, deine Mutter hätte die für eine längere Spanne mit einem schlechteren Mann eingetauscht?«
Alec antwortete nichts, konnte nichts antworten. Sah in alldem nirgends einen Ausweg.
Bob hatte gespürt, dass er genug gesagt hatte. Schweigend saßen sie eine Weile beieinander. Alec nahm noch einen Schluck Bier. Aber auch das brachte keinerlei Klarheit.
Endlich ergriff Bob wieder das Wort und wechselte das Thema. »Ich habe heute mit Bruce Fraser gegessen. Im Lauf des Gesprächs fiel auch dein Name.«
Überrascht zog Alec eine Augenbraue hoch. Bruce Fraser war Assistant Commissioner, ein ehemaliger Kollege von Bob und zuständig für die Personalentscheidungen. Außerdem war er Steve Frasers Vater.
Bob sah ihn herausfordernd von der Seite an. »Es scheint, als hätten sie in letzter Zeit Schwierigkeiten, die Stellen der Superintendents zu besetzen. Jetzt ist auch noch Ron Harrison von der Nordküste unbefristet krankgeschrieben, und sie brauchen jemanden, der seinen
Platz einnimmt. Da oben ging es in letzter Zeit ganz schön rund, und es wird jemand gesucht, der gründlich ist, zuverlässig und hervorragende Führungsqualitäten besitzt. Ich habe dich vorgeschlagen.«
Alec brauchte eine Weile, bis er das verdaut hatte. »Danke für das Vertrauen. Aber ich bin sicher, dass die jemanden suchen mit mehr Erfahrung im allgemeinen Polizeidienst. Damit habe ich schon seit Jahren nichts mehr zu tun.«
»Stell dein Licht nicht unter den Scheffel, Alec. Du hast einen exzellenten Ruf als Teamspieler, quer durch alle Abteilungen. Mit der Arbeit, die du in den verschiedenen Untersuchungskommissionen und internen Ermittlungen geleistet hast, hast du dir in der gesamten Truppe höchsten Respekt verdient. Deine Fähigkeiten als Ermittler und Vorgesetzter sind genau das, was sie da oben im Moment brauchen.«
Alec legte die Stirn in Falten, als ihm einiges, was er in letzter Zeit gehört hatte, wieder in den Sinn kam. »War das nicht da, wo zwei Detectives im Zusammenhang mit einem Ecstasy-Dealer-Ring vor Gericht standen? Und der Superintendent völlig versagt hat, als Vorwürfe wegen sexueller Belästigung laut wurden?«
»Unter anderem.« Bob grinste ihn an. »Zumindest dürfte es dir da oben so schnell nicht langweilig werden. Fraser wird dich gleich Montagmorgen anrufen. Wenn ich ein Zocker wäre, ich würde sagen, der Job gehört dir, wenn du ihn willst. Ich weiß, dass du beim Aufräumen nach Harrisons Inkompetenz verdammt gute Arbeit leisten kannst. Der wird im Übrigen nicht wieder zurückkehren, die Stelle ist letztendlich also auf Dauer neu zu besetzen.«
Der Job gehört dir, wenn du ihn willst … Während des
gesamten, turbulenten Essens im Kreis der Familie hallten ihm Bobs Worte durch den Kopf. Wollte er ihn? Wollte er die aktive Ermittlungsarbeit zugunsten einer Verwaltungsposition aufgeben? Sicher, er hatte im Lauf seines beruflichen Aufstiegs mehr und mehr Verwaltungsaufgaben übernommen - es war ihm nicht neu, vorhandene Mittel einzuteilen und innerhalb eines umfangreichen Teams kurz- und langfristige Prioritäten zu setzen -, aber wollte er das wirklich die ganze Zeit tun? Er war Detective; seit der Highschool, die gesamte Grundausbildung und den obligatorischen Dienst als Streifenpolizist hindurch war ihm immer klar gewesen, wohin er wollte.
Nach dem Essen saß er wieder auf der Stufe der Hintertür und passte auf Chloe, seine jüngste Nichte auf, solange Sam und Emma vor dem Schlafengehen noch ein letztes Mal mit ihrem Vater und Bob huckepack durch den Garten tollten, und wieder schwirrten die Worte unablässig in seinem Kopf herum: Der Job gehört dir, wenn du ihn willst .
Auf der gepflasterten Terrasse war es kühler als im Haus, denn der Abendwind vertrieb die drückende Schwüle und wehte süßen Geißblattduft vom Nachbargrundstück herüber - und mit ihm Hunderte Erinnerungen an Bella.
Zufrieden in seine Armbeuge gekuschelt saß Chloe auf seinem Schoß. Mit dem Geißblatt stürmten auch Babydüfte auf seine Nase ein - Seife, Milch, Puder.
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