Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel
ließ ihn mitten in der Bewegung wieder fallen, als sie sah, daß Sitzfläche und Lehne zerschnitten waren, so daß die Schaumstoffüllung herausquoll.
»Ich glaube, ich mache uns erst mal einen Kaffee«, murmelte sie. »Wenn ich noch eine Tasse finde, heißt das.« Ihre Stimme klang flach und auf eine erschreckende Art ebenso leer wie ihre Augen. Mit langsamen, gezwungen wirkenden Bewegungen drehte sie sich herum und ging in die Küche. Jan sah ihr nicht nach, aber er hörte Scherben unter ihren Schuhsohlen knirschen.
»Funktioniert Ihr Telefon noch?« fragte Krieger.
Jan hob den Apparat auf, drückte auf die Gabel und wurde mit einem unerwarteten Freizeichen belohnt. Wortlos reichte er Krieger den Apparat.
Während der Kriminalbeamte seine Kollegen anrief, ging Jan im Zimmer umher, richtete Couch und Sessel wieder auf und überlegte ohne Ergebnis, wo er mit der Beseitigung des Chaos beginnen sollte. Er stand noch immer wie unter Schock. Vermutlich erging es jedem so, der unvorbereitet nach Hause kam und seine Wohnung von Einbrechern verwüstetvorfand. Aber er … verstand einfach nicht, was hier passiert war. Was immer Vera und ihre ominösen Freunde auch sein mochten – herkömmliche Kriminelle waren sie ganz bestimmt nicht. Vorhin, als Vera ihm ihre haarsträubende Geschichte erzählt hatte, da war ihm seine eigene Theorie vollkommen schlüssig und überzeugend vorgekommen. Aber diese Überzeugung hatte nicht einmal angehalten, bis sie unten vor dem Haus aus dem Wagen gestiegen waren. Es gab einfach zu vieles, was nicht paßte. Kleinkriminelle und Möchtegern-Erpresser pflegten nicht unsichtbar zu sein, oder unfotografierbar.
Krieger hängte ein und stellte den Apparat auf den Tisch zurück, den Jan gerade aufgerichtet hatte. Die Glasplatte war an einer Seite gesplittert und hatte einen Sprung. »Die Kollegen sind in zwanzig Minuten hier, vielleicht auch in einer halben Stunde. Und Sie sollten damit aufhören.«
»Womit? Ordnung zu machen?«
»Spuren zu verwischen«, sagte Krieger griesgrämig.
Jan hätte um ein Haar schrill aufgelacht. »Spuren? Was denn für Spuren, bitte schön? Sie glauben doch nicht wirklich, daß man in diesem Chaos noch irgendwelche –«
»Jan, bitte!« Katrin kam aus der Küche. »Es gibt keinen Kaffee. Wir haben keine Tassen mehr. Er hat ganze Arbeit geleistet.«
»Das tut mir leid«, sagte Krieger. Er klang aufrichtig, erstickte den flüchtigen Funken von Sympathie, den ihm die Bemerkung bei Jan einbrachte aber fast sofort wieder, indem er fortfuhr: »Vampire mögen wohl keinen Kaffee.«
»Das ist nicht komisch«, sagte Jan.
»Ich bin auch nicht hergekommen, um Witze zu machen«, antwortete Krieger.
»Warum verraten Sie uns dann nicht, warum Sie überhaupt gekommen sind?«
Krieger lächelte, sehr dünn und für nicht einmal eine Sekunde, und Jan begriff, daß er die falsche Taktik eingeschlagen hatte. Der Kommissar mochte zwar weit davon entfernt sein, einem James Bond Konkurrenz zu machen, aber er war mit Sicherheit viel zu sehr Polizist, um sich durch Aggressivität in irgendeiner Weise beeindrucken zu lassen. Er zuckte nur mit den Schultern.
»Ich hätte es auch vorgezogen, die Sache am Telefon zu klären«, sagte er. »Leider reagieren Sie ja nicht auf Anrufe, Herr Feller, so daß ich selbst herkommen mußte.«
»Um mich was zu fragen?«
Krieger antwortete nicht gleich, sondern starrte stirnrunzelnd die Wand neben der Schlafzimmertür an; genauer gesagt, die tiefen Schrammen, welche die Wut des Eindringlings darin hinterlassen hatte. Irgend etwas daran schien ihn ungemein zu faszinieren, denn er reagierte auch nach zwei oder drei weiteren Sekunden nicht, sondern hob die Hand und fuhr mit den Fingerspitzen an den Konturen der Risse in der Tapete entlang. Dann fuhr er zusammen, drehte sich fast erschrocken zu Jan herum und sah ihn eine Sekunde lang irritiert an; als müsse er sich mit einer bewußten Anstrengung darauf besinnen, warum er überhaupt hierher gekommen war.
»Ach so«, sagte er. »Ja, ich … es ist im Grunde nur eine einzige Frage. Vielleicht zwei. Sie erinnern sich an Dr. Mertens?«
»Der Arzt aus der Kölner Uniklinik.« Jan nickte. »Er hat mich behandelt.«
»Ist das alles? Ich meine: Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
»Wieso?«
»Beantworten Sie bitte meine Frage, Herr Feller«, sagte Krieger. »Wir wissen, daß Sie ein paarmal versucht haben, Dr. Mertens telefonisch zu erreichen.«
Jan tauschte einen alarmierten Blick mit Katrin.
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