Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel
Waffe stürmte herein. Jan mußte sich nicht umdrehen, um zu wissen, daß hinter ihm ein zweiter Beamter aus dem Lift trat, der ebenfalls die Waffe auf ihn gerichtet hatte.
»Nicht schießen!« rief er hastig. »Es ist nicht so, wie es aussieht!«
Wie sah es denn aus? Er saß auf den Knien, hatte Kriegers Pistole in der linken Hand und war über und über mit Blut besudelt. Der Leichnam des toten Kriminalbeamten lag neben ihm, und von einer weiteren Person (er konnte den Staatsanwalt regelrecht hören, wie er hämisch von dem »großen Unbekannten« sprach!) war weit und breit nichts zu sehen.
Er war nicht überrascht, als ihn ein Fußtritt zwischen die Schulterblätter traf und ihn mit solcher Wucht zu Boden schleuderte, daß auch noch seine Nase zu bluten begann.
»Keine Bewegung!« drohte eine Stimme. Sie klang scharf, wütend und befehlsgewohnt, aber sie zitterte auch ganz leicht. Er wußte nicht, was stärker war: Der Schrecken, den der Polizeibeamte empfinden mußte, oder der Zorn, den der Anblick über ihn wachrief. Er wußte nicht, was gefährlicher war!
»Verdammte Scheiße, was ist hier los? Was hast du getan , du verdammtes Arschloch?!«
»Nicht schießen!« keuchte Jan. »Katrin. Er … er hat Katrin. Bitte!«
Er lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden. Alles, was er sehen konnte, waren zwei Paar glänzend polierter, schwerer Schuhe.
»Sieh in der Wohnung nach! Vielleicht ist da noch einer!«
»Bist du sicher?«
»Keine Angst – wenn der Kerl auch nur furzt, schieße ich ihm die Rübe weg!«
Die Worte klangen bitter ernst. Sie waren ernst gemeint, begriff Jan. Der Polizist wartete nur darauf, daß er ihm einen Vorwand gab, ihm eine Kugel in den Kopf zu jagen. Er konnte ihn sogar verstehen.
Schritte entfernten sich, dann erscholl ein dumpfer, weicher Laut, gefolgt von einem schweren Aufprall und – vielleicht – etwas wie einem keuchenden Schrei, und Jan vergaß seine Todesangst und drehte sich auf den Rücken, gerade noch im richtigen Moment, um zu sehen, wie Vera unmittelbar vor dem zweiten Polizisten vom Schemen zur Realität wurde und ihn mit zwei schnellen, unglaublich präzisen Schlägen zuerst entwaffnete und dann zu Boden schlug. Es ging so schnell, daß er nicht einmal richtig sah , was sie tat.
So wenig wie ihm bewußt war, daß er nicht aus eigener Kraft auf die Füße kam, sondern von Vera in die Höhe gezogen wurde, und das ohne die geringste Mühe.
»Alles in Ordnung?« fragte sie.
»Das ist die dämlichste Frage, die ich je gehört habe«, murmelte Jan benommen.
Vera lachte leise. »Ja. Es ist alles in Ordnung.« Sie grinste noch einen Moment lang breit, dann wurde sie übergangslos wieder ernst. »Was ist passiert?«
Jan hatte Mühe, seine Gedanken wenigstens so weit wieder zu ordnen, daß er antworten konnte. Alles drehte sich um ihn. »Vlad«, sagte er mit schwerer Zunge.
»Das ist kaum zu übersehen«, sagte Vera. »Ich habe nichtangenommen, daß du für diese Schweinerei hier verantwortlich bist.« Sie seufzte. »Mist!« sagte sie inbrünstig.
»Katrin«, murmelte Jan. Er richtete sich mühsam vollkommen auf – er merkte nicht einmal, daß er sich dabei schwer auf Veras Schulter aufstützte – und starrte die zertrümmerte Wohnungstür an. Sie sah aus, als wäre ein Panzer hindurchgefahren! Mindestens viermal, aus vier verschiedenen Richtungen. »Er hat –«
»Katrin, genau«, fiel ihm Vera ins Wort. »Aber das ist nicht unser Problem, weißt du? In spätestens zehn Minuten taucht garantiert eine ganze Meute von diesen Typen hier auf.« Sie versetzte einem der bewußtlosen Polizisten einen Fußtritt, was Jan mit dumpfer Benommenheit zur Kenntnis nahm. »Verschwinden wir von hier.«
Jan schüttelte den Kopf. Die kleine Bewegung kostete fast seine gesamte Kraft. »Ich muß … zurück. Etwas … holen.«
Er wußte nicht einmal, was. Aber es war wichtig. Vielleicht lebenswichtig.
Vera verdrehte die Augen, widersprach aber zu seiner Überraschung nicht mehr. »Also gut«, sagte sie. »Aber beeil dich. Ich habe keine Lust, hier eine Neuverfilmung von Bonnie and Clyde zu inszenieren.«
Was sie allerdings nicht daran hinderte, ihm endgültig auf die Füße zu helfen und ihn anschließend mit einem langen, sehr hektischen Blick zu mustern.
»Andererseits kannst du in diesem Zustand sowieso nicht auf die Straße«, sagte sie. »Also los. Aber beeil dich.« Sie griff ihn bei den Schultern, drehte ihn herum und bugsierte ihn mit schon deutlich mehr als
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