Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel
schlug ihn erneut. »Antworte! Du stirbst sowieso, aber es liegt ganz bei dir, ob es eine Sekunde oder zwei Stunden dauert!«
Jan stöhnte und hob schwächlich die Hand, als Vlad ihnwieder schlug. »Mitternacht«, murmelte er. »Du hast gesagt … bis … Mitternacht.«
Diesmal explodierte Vlads Faust in seinem Magen.
»Falsche Antwort«, sagte der Vampir. »Wie kommst du hierher? Wer hat dir gesagt, wo ich bin? Die Schlampe?«
Natürlich wußte er die Antwort längst. Es gab nur diese eine. Und trotzdem spürte Jan, daß er großen Wert darauf legte, es aus Jans Mund zu hören. Vielleicht, weil er Angst hatte, daß es nicht so war …
»Vera«, murmelte er. Seine Arme sanken kraftlos herab und tauchten wieder ins Wasser, und seine rechte Hand tastete unauffällig nach der Jackentasche. Er betete, daß Vlad nichts davon merkte.
»Vera …«, wiederholte er mühsam. »Vera hat mir … geholfen.«
»Geholfen!« Vlad lachte schallend. »O ja, und wie sie dir geholfen hat, du Narr! Du hast ja nicht einmal eine Vorstellung davon, wie sehr!«
Jan verstand nicht, was er damit meinte. Es spielte auch keine Rolle. Alles, was zählte, war das Messer in seiner Tasche. Seine Finger tasteten danach, schlossen sich um den massiven Silbergriff.
»Du bist ein solcher Dummkopf, daß ich fast schon wieder in Versuchung bin, dich am Leben zu lassen«, sagte Vlad. »Du glaubst wirklich, was sie dir erzählt, wie? Was hat sie dir denn noch so alles gesagt?«
»Nicht viel«, antwortete Jan schleppend. »Außer vielleicht … dem hier.«
Er riß das Messer aus der Tasche und stieß zu, ohne sich die Mühe zu machen, die Hand vorher aus dem Wasser zu heben. Vlad schien die Gefahr im allerletzten Moment zu spüren, denn er prallte zurück und drehte sich gleichzeitig zur Seite. Er entging der Attacke dadurch nicht ganz, aber statt in seinenLeib bohrte sich die Klinge des Steak-Messers nur in seinen Oberschenkel.
Vlad kreischte vor Schmerz und torkelte mit wild rudernden Armen zurück. Jan folgte ihm, hielt das Messer mit aller Gewalt fest und versuchte zugleich, die Klinge herumzudrehen. Er hatte nur diese eine Chance. Vlad war im Moment halb wahnsinnig vor Schmerzen und vor allem vollkommen überrascht. Er würde ihm keine weitere Gelegenheit geben, ihn zu überraschen. Jan trieb ihn vor sich her, schmetterte ihn mit der Schulter gegen einen Betonpfeiler und klammerte sich mit aller Kraft an den Messergriff.
Neben Vlads Beinen begann das Wasser zu brodeln. Dampf stieg von seiner Oberfläche auf, und Vlad kreischte noch lauter. Jan spürte, wie das Messer in seiner Hand heiß wurde, und Vlads Gesicht … entgleiste. Wurde zu etwas anderem, Un menschlichem. Vlad packte zu, umklammerte Jans Hand, die das Messer hielt, und drückte sie mit unerbittlicher Gewalt zusammen. Gleichzeitig zog er das Messer Millimeter für Millimeter aus seinem Bein.
Die Klinge wurde immer heißer, als das Silber ebenso heftig auf den Vampir reagierte wie der Vampir umgekehrt auf das tödliche Metall. Selbst als Vlad das Messer ganz aus seinem Bein herausgezogen hatte, stieg die Temperatur des Griffes immer noch weiter, und das rasend schnell. Vielleicht lag es einfach an Vlads Hand, die seine eigene umklammerte, vielleicht war es auch eine simple chemische Reaktion – das Ergebnis war auf jeden Fall katastrophal, sowohl für Vlad als auch für Jan selbst. Der Vampir riß Jans Arm in die Höhe. Als ihre Hände aus dem Wasser tauchten, sah Jan grauen Qualm zwischen seinen Fingern hervorquellen. Der Gestank von schmorendem Fleisch stieg ihm in die Nase, und die Schmerzen waren unbeschreiblich. Er konnte fühlen, wie sich das glühende Metall in seine Hand fraß.
Endlich ließ Vlad los. Jan torkelte zurück und öffnete die Finger, aber das Messer fiel nicht herunter. Griff und Klinge glühten mittlerweile in einem dunklen, drohenden Rot, und das heiße Metall hatte sich tatsächlich in seine Haut gefressen und klebte daran fest.
Vlad torkelte heulend davon, aber Jan nahm es in diesem Moment nicht einmal zur Kenntnis. Er schlenkerte den rechten Arm verzweifelt hin und her, griff schließlich in höchster Not mit der anderen Hand zu und riß den Messergriff von seiner Hand. Das Messer war mittlerweile so heiß, daß er sich auch noch die Finger der Linken verbrannte, ehe es ihm gelang, es zu packen und im hohen Bogen davonzuschleudern.
Keuchend vor Schmerz tauchte er die Hand ins Wasser. Er verschwendete keinen Gedanken an den Schmutz und die Bakterien,
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