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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vorhin gemacht hatte, in rascher Folge über den Bildschirm laufen, und bei der letztenAufnahme wurde er tatsächlich fündig, wenn auch nicht so, wie er gehofft hatte. Er sah Vlad auf keiner der Aufnahmen, aber er entdeckte etwas anderes: Eine Tür, die eigentlich nicht da war.
    Sie befand sich nicht einmal weit von seinem augenblicklichen Standpunkt entfernt und war nicht besonders groß: Ein halbrunder, gemauerter Torbogen, der aus einem längst vergangenen Jahrhundert zu stammen und für Zwerge gemacht zu sein schien. Selbst ein Mann von Jans durchschnittlichem Wuchs würde sich auf Hände und Knie hinunterlassen müssen, um hindurchzukriechen. Trotzdem war es kein Abwassertunnel, wie Jan im ersten Moment annahm, sondern eindeutig ein Tor; ein zweiflügeliges, aus schweren Bohlen gefertigtes und mit eisernen Beschlägen versehenes Tor.
    Jan starrte die Wand an und sah doch nichts als nackten Beton, obwohl die Fotografie noch immer beharrlich ein fünfhundert Jahre altes Zwergentor präsentierte. Vielleicht hatte er es im gleichen Moment fotografiert, in dem Vlad es erschaffen hatte. Der Vampir hatte ihm ja schon einmal bewiesen, daß es ihm keine besondere Mühe machte, Türen zu benutzen, die es nur aus dem einzigen Grund gab, weil er es wollte .
    Das war eine Erklärung.
    Die andere war …
    Jan steckte die Kamera ein, watete durch das hüfthohe Wasser und hob die Hand. Er sah noch immer nichts anderes, als nassen, von Schimmelflecken und Schmutz bedeckten Stein, aber was er fühlte , war nasses Holz, das im Laufe der Jahrhunderte so hart wie Stein geworden war. Die Tür war nicht verschwunden. Vlad hatte sie getarnt, aber nicht entfernt. Immerhin hatte er den Rückzug in ziemlicher Hast angetreten.
    Aber vielleicht hatte er auch vor, zurückzukommen. Jan hatte ihn verletzt, aber er wußte weder genau, wie schwer nochwie lange der Vampir brauchen würde, um sich von dieser Verletzung zu erholen.
    Es war ein verwirrendes Gefühl, über Beton zu tasten und Holz zu fühlen, so irritierend, daß er nach einem Moment die Augen schloß, um sich ganz auf die Informationen zu konzentrieren, die ihm seine Fingerspitzen übermittelten.
    Der Trick funktionierte. Er nahm die Erinnerung an die Fotografie zu Hilfe, und zusammen mit dem, was er ertastete, bereitete es ihm keine besondere Mühe, den richtigen Punkt zu finden und den Griff zu umklammern.
    Er öffnete die Augen und sah etwas sehr Erstaunliches: Er konnte das rostige Eisen nicht nur deutlich spüren, sondern konnte auch tatsächlich sehen , daß seine Hand etwas Unsichtbares umklammerte. Langsam drückte er es hinunter, spannte die Muskeln an und versuchte, die Tür in der gleichen Bewegung aufzuziehen.
    Es gelang. Die Tür, die angesichts ihrer Größe erstaunlich schwer war, schwang langsam nach außen. Dahinter kam allerdings kein Gang oder Tunnel zum Vorschein. Der rauhe Beton der Wand blieb, was er war. Jan hob die andere Hand und sah ohne besondere Überraschung zu, wie sie widerstandslos in den scheinbar massiven Beton eintauchte. Vielleicht erlebte er das alles ja wirklich. Vielleicht verlor er auch allmählich den Verstand … welchen Unterschied machte das schon, zumindest für ihn? Alles, was zählte, war, daß er Vlads Spur gefunden hatte.
     
    Auf den ersten zwei- oder dreihundert Metern hatte er tatsächlich kriechen müssen, dann erweiterte sich der Stollen zu seiner Erleichterung, so daß er, anfangs noch geduckt, nach einigen Dutzend weiteren Schritten endlich in normaler, aufrechter Haltung gehen konnte.
    Jan war auch ziemlich sicher, daß er die unbequeme, kriechende Haltung nicht mehr allzulange durchgehalten hätte.Sein Rücken und seine verbrannte rechte Hand schmerzten um die Wette, und er merkte erst jetzt, als er draußen war, wie kalt das Wasser wirklich gewesen war. Er zitterte am ganzen Leib. Auch hier unten im Tunnel war die Luft so kalt, daß sein Atem als grauer Dampf vor seinem Gesicht in der Luft erschien. Wenn er nicht bald hier raus kam, würde er erfrieren oder zumindest so steifgefroren sein, daß Vlad leichtes Spiel mit ihm hatte.
    Aber um hier herauszukommen, hätte er erst einmal wissen müssen, wo er überhaupt war.
    Wenigstens wußte er, wo er nicht mehr war: im Kanalisationsnetz der Stadt. Der Tunnel, durch den er sich nun schon mindestens einen Kilometer weit schleppte, war viel älter als die Kanäle. Die Wände bestanden aus handgeformten Lehmziegeln und stammten vermutlich noch aus der Zeit, in der römische

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