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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Besatzungstruppen sich in dieser Gegend Scharmützel mit germanischen Barbarenhorden geliefert hatten. Bisher war er weder auf eine Abzweigung noch auf irgend etwas gestoßen, das auch nur Ähnlichkeit mit einem Ausgang hatte. Und er spürte, daß er auf dem richtigen Weg war. Vlad war genau hier entlanggegangen, und das vor noch nicht allzulanger Zeit. Er hatte nicht heftig genug geblutet, um eine brauchbare Spur zu hinterlassen, aber das schien auch gar nicht mehr nötig. Etwas in ihm hatte die Witterung des Vampirs aufgenommen. Er war ihm nahe, und er kam ihm langsam, aber beständig näher. Jan hatte vor nichts mehr Angst als vor dem Moment, in dem er Vlad eingeholt hatte, und trotzdem beschleunigte er seine Schritte mehr und mehr, denn er wußte zugleich auch, daß seine einzige Chance darin bestand, ihn schnell einzuholen; so lange er noch verwundbar und geschwächt war.
     
    In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen blieb Jan stehen, machte eine Aufnahme von dem Gang vor sich und kontrollierte sie sofort, aber seine Hoffnung erfüllte sich nicht. Derunterirdische Gang blieb genau das, wonach er aussah. Er entdeckte keine weitere getarnte Tür.
    Er fragte sich, wo er war. Das Taxi hatte sie ein gutes Stück stadtauswärts befördert, aber er hatte unglücklicherweise nicht einmal eine vage Vorstellung davon, in welche Richtung er sich bewegte.
    Irgendwann war er so erschöpft, daß er sich an der Wand hinunter zu Boden sinken ließ und für einen Moment die Augen schloß. Als er die Lider wieder hob, stand der Junge vor ihm.
    Er hatte das Gesicht des Jungen eigentlich niemals wirklich deutlich gesehen, aber er mußte es sein; so viele halbwüchsige Vampire, die auf seiner Seite standen, gab es in dieser Stadt vermutlich nicht. Er sagte auch diesmal nichts, sondern stand einfach nur da und sah auf ihn herab. Aber allein die Art, auf die er es tat, war beredt genug.
    Jan streckte ihm die Hand entgegen. Er war nicht sicher, ob seine Kraft noch reichte, um aufzustehen. Der Junge starrte seinen ausgestreckten Arm eine Sekunde lang an, als wäre er etwas Feindseliges, ja Gefährliches, dann trat er zwei Schritte zurück, drehte sich um und ging, ohne auch nur einmal zu ihm zurückzublicken.
    Obgleich in einem Gang, der keine Abzweigungen hatte, kaum die Gefahr bestand, den Anschluß an den Jungen zu verlieren, sprang Jan in die Höhe und lief hinter ihm her, so schnell er konnte – was in diesem Moment nicht besonders schnell war. Die kurze Pause hatte ihm nicht gutgetan. Im Gegenteil: Er fühlte sich immer schlechter. Seine Beine schienen mit Blei gefüllt zu sein, und seine rechte Hand tat höllisch weh und pochte, als wollte sie jeden Moment explodieren. Er wagte es nicht, seine Hand auch nur anzusehen.
    Wieder wankte er für eine Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, durch den unterirdischen Stollen. Er hatte das Gefühl,daß der Weg allmählich abwärts und somit tiefer in die Erde hineinführte.
    Schließlich stand er vor einem hohen, geschlossenen Tor. Es sah auf den ersten Blick massiv aus, war aber so morsch, daß das Holz unter seinen Fingern zu bröckeln begann, als er es berührte. Er lehnte sich mit der Schulter dagegen und drückte das Tor behutsam auf. Die rostigen Scharniere knarrten. Das war seltsam: Wenn der Junge durch diese Tür gegangen wäre, dann hätte er ihn hören müssen. Er hatte den Jungen für einen Moment aus den Augen verloren.
    Jan drehte sich unschlüssig einmal im Kreis, ging aber schließlich weiter. Wenn der Junge den Gang auf einem jener unheimlichen Wege verlassen hatte, die nur ihm offenstanden, dann hatte er sowieso keine Chance, ihn wiederzufinden. Man konnte die Mitglieder von Veras Volk nur finden, wenn sie sich finden lassen wollten .
    Unangenehmerweise galt das auch für Vlad. Aber diesen Gedanken verscheuchte Jan hastig.
    Hinter dem Tor begann eine Treppe, die gute fünfzig Stufen weit steil in die Tiefe führte. Die Wände waren eine sonderbare Mischung aus Beton und uralten Ziegelsteinen, die es eigentlich gar nicht geben durfte, und am Ende der Treppe angelangt, fand er endlich, wonach er bisher vergeblich gesucht hatte: eine Abzweigung. Sogar mehr Abzweigungen, als er eigentlich haben wollte. Der Raum war von asymmetrischem Grundriß und so hoch, daß Jan die Decke über sich nicht mehr sehen konnte, und es gab mindestens ein halbes Dutzend Ausgänge. Halbrunde, gemauerte Tunnel gleich dem, durch den er bisher gegangen war, aber auch metergroße, glatte

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