Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel
zurück und rutschte ein kleines Stück von ihm weg.
»Willst du darüber reden?« fragte sie leise.
»Worüber?«
»Über das, was passiert ist.«
»Was gibt er denn da zu reden?« fragte Jan bitter. »Peter ist tot. Du hast es doch gehört.«
»Das meine ich nicht.« Katrin schenkte sich ein Glas Wein ein, aber nur, um es in der Hand zu halten, nicht, um zu trinken. »Warum hast du ihn angelogen?«
»Ich weiß nicht«, sagte Jan. »Ich war einfach –«
»– nicht besonders klug«, fiel ihm Katrin ins Wort. Sie klang nicht zornig. Nicht einmal wirklich vorwurfsvoll. »Krieger war nicht zufällig hier, oder weil es auf dem Weg lag, das ist dir doch klar, oder?«
Er nickte stumm.
»Und dir ist auch klar, daß er herausfinden wird, daß du ihnangelogen hast. Er wird wiederkommen, und dann wird er vielleicht nicht mehr ganz so freundlich sein.«
»Bitte, Katrin«, murmelte Jan, »Ich möchte jetzt … nicht darüber reden. Peter ist tot!«
»Und du verschweigst mir etwas«, sagte Katrin. »Wo bist du gewesen? Was ist das für ein Unfall , den du gehabt hast?«
Ich werde jeden umbringen, der dir etwas bedeutet.
Es hatte schon angefangen.
»Es hat nichts mit Peter zu tun«, sagte er. »Wir waren verabredet, aber er ist nicht gekommen.«
»Wo?«
»Am Museum«, antwortete Jan. Er konnte ihr nicht sagen, was wirklich passiert war. Er konnte es niemandem sagen. »Ich habe auf ihn gewartet, und bin ein bißchen herumgelaufen. Einfach so.«
»Und dein Auge?«
»Es war wirklich so, wie ich gesagt habe«, log Jan. »Meine eigene Dummheit. Ich bin über den Zaun beim alten Horten gestiegen.«
»Wie bitte?!«
»Ich sagte doch, es war Dummheit. Ich dachte, ich finde ein paar interessante Motive. Aber das einzige, was ich gefunden habe, war ein Stück Moniereisen, an dem ich mir fast das Auge ausgestochen hätte.«
»Und warum hast du das dem Kommissar nicht gesagt?« fragte Katrin.
»Ich weiß nicht.« Jan starrte zu Boden. »Vielleicht, weil ich Angst hatte, daß er mir nicht glaubt.«
»Da hast du recht«, sagte Katrin. »Ich tue es nämlich auch nicht, weißt du?«
Sie stand auf. Sie ging nicht sofort, sondern stellte ihr Weinglas mit einer übertrieben umständlichen Bewegung auf den Tisch zurück und ließ auch dann noch einige Sekundenverstreichen, in denen sie einfach nur dastand und ihn ansah. Sie gab ihm die Chance, doch noch die Wahrheit zu sagen, aber er ergriff sie nicht.
Vielleicht später. Vielleicht nie.
»Du weißt, wo du mich findest, wenn du mit mir reden willst«, sagte Katrin.
Jan verbrachte die Nacht auf der Couch, und er ging nicht zu Katrin ins Schlafzimmer, um mit ihr zu reden oder mit ihr zu schlafen – sie hatte auf beides gewartet, das wußte er, aber das eine konnte er nicht, und das andere wäre verlogen gewesen.
Er fand in dieser Nacht nicht mehr viel Schlaf. Die wenigen Male, die er einnickte, schlitterte er in den Beginn eines wüsten Alptraumes, in dem er durch endlose Gänge und Tunnels irrte und von einem gräßlich verbrannten Gesicht ohne Körper verfolgt wurde. Der Schrecken, den dieser Traum mit sich brachte, war so groß, daß er jedesmal sofort wieder erwachte, bevor der Traum wirklich begann.
Der darauffolgende Tag war nicht viel besser.
Jan schlief erst gegen Morgen wirklich ein und durchlebte den begonnenen Alptraum endlich zur Gänze, aber das Schicksal hatte Erbarmen mit ihm: Als er aufwachte, konnte er sich praktisch an nichts erinnern.
Er war allein in der Wohnung. Vera war verschwunden, und Katrin hatte ihm einen Zettel auf dem Tisch zurückgelassen, daß sie irgendwann am Nachmittag zurückkehren würde. Bei Katrin war dies eine so präzise Zeitangabe, daß er irgendwann zwischen Mittag und Mitternacht mit ihr rechnen konnte; wenn überhaupt.
Es war ihm nur recht.
Jan war sich nicht ganz schlüssig, was er von der Szene gestern abend halten sollte. Katrin war eine komplizierte Person.Es konnte sein, daß sie ihn eine Woche lang mit stummem Groll bestrafte, ebensogut aber auch, daß sie die Herzlichkeit selbst war, weil sie ihr schlechtes Gewissen plagte. Am wahrscheinlichsten aber war eine Gemütsverfassung irgendwo dazwischen, was sie vollkommen unberechenbar machte. Vielleicht war es ganz gut, daß sie nicht da war.
Das Licht des Anrufbeantworters blinkte, aber Jan ignorierte es und kochte sich erst einen starken Kaffee. Er trank zwei Tassen davon, ehe er die Anrufe abhörte. Es war eine Nachricht des Krankenhauses, in das man Peters Leiche
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