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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ohne daß sich am Ergebnis irgend etwas änderte. Vera war auch hier nur unscharf zu erkennen.
    Unmöglich. Was er sah, war sowohl technisch als auch physikalisch nicht zu erklären. Ihm fielen eine ganze Menge anderer Erklärungen ein, aber er ließ keine davon gelten. Er gestattete sich nicht einmal, zu erschrecken, oder gar in Panik zugeraten. Er legte die Abzüge samt der Negative in eine Schachtel, schloß sie in einer Schublade ein und befestigte den dazugehörigen Schlüssel an seinem Schlüsselbund.
    Jan verließ die Dunkelkammer, zog sich um und rief ein Taxi. Er hatte einen anstrengenden Tag vor sich. Aber vielleicht war das ja genau das, was er im Augenblick brauchte.

J an kam erst am späten Nachmittag zurück. Er hatte vieles von dem geschafft, was er sich vorgenommen hatte – nicht alles, aber doch das meiste –, und er befand sich in einer sonderbaren Stimmung, die ihn selbst verwirrte und zweifellos nichts anderes als eine Reaktion auf die Ereignisse der vergangenen Tage war. Er hatte Peters Leichnam im Krankenhaus identifiziert und die notwendigen Formalitäten erledigt. Nichts davon hatte ihm irgend etwas ausgemacht. Er hatte keinen Schmerz empfunden, geschweige denn Zorn; nicht einmal Trauer. Im Gegenteil, er befand sich in einer fast heiteren Stimmung, was seine Art war, mit dem Schock umzugehen. Sie gefiel ihm nicht. Er empfand die ruhige Gelassenheit, die ihn erfüllte, als unangemessen. Er sollte Trauer empfinden. Sein einziger noch lebender Verwandter war tot. Sein Bruder. Aber er fühlte … nichts.
    Katrin war noch nicht wieder zurück, aber das rote Licht des Anrufbeantworters flackerte unaufhörlich, und er hörte aus der Küche das Klappern von Töpfen und Geschirr. Vera. Aber vielleicht war das ein Problem, das er jetzt lösen konnte, gerade weil er sich in einer so ruhigen Stimmung befand. Aus irgendeinem Grund war er vollkommen sicher, daß er ihr in einem offenen Streit nicht gewachsen war. Aber vielleicht in einer sachlichen Diskussion.
    Jan ignorierte das Flackern des Anrufbeantworters, ging in die Küche und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen, um Vera eine Zeitlang zuzusehen. Sie gab sich tatsächlich große Mühe, die Küche auf Vordermann zu bringen, stellte sich dabei aber so ungeschickt an, daß sie mehr Schaden als Nutzen anrichtete. Passend zu seiner momentanen Stimmung fand Jan den Anblick höchst amüsant.
    »Wenn du mich lange genug angestarrt hast, dann könntest du dich nützlich machen und mir erklären, wie diese Höllenmaschine hier funktioniert«, sagte Vera, ohne sich zu ihm herumzudrehen. Sie deutete auf die Geschirrspülmaschine. Die Klappe stand offen, und Vera hatte zumindest guten Willen gezeigt und alles, was irgendwie so aussah, als müsse es gereinigt werden, hineingestellt.
    »Dieses Teufelsding ist eine Spülmaschine«, antwortete Jan. »Ich glaube, du bist der einzige Mensch auf der Welt, der nicht weiß, wie sie funktioniert.«
    Vera drehte sich nun doch zu ihm herum. Sie lächelte, aber in ihren Augen stand ein Ausdruck, der Jan nicht gefiel, obwohl – oder vielleicht gerade weil – er ihn nicht richtig deuten konnte. »Da, wo ich herkomme, gibt es solche modernen Maschinen nicht«, sagte sie.
    Jan ließ die Arme sinken. »Und wo ist dieses da, wo du herkommst ?« fragte er, hob aber sofort die Hand, als sie antworten wollte. »Entschuldige, du hast es mir ja schon gesagt. Transsylvanien, nicht wahr?«
    Er grinste, aber Vera blieb vollkommen ernst, und nach zwei oder drei Sekunden konnte er spüren, daß sein Lächeln eher zu einer Grimasse erstarrte, und er schaltete es ab.
    Vera stellte den schmutzigen Teller ab, den sie gerade in der Hand gehabt hatte. Dabei blieb ihre Hand wie durch Zufall in der Nähe der offenstehenden Messerschublade liegen. Der Anblick machte Jan nervös. »Warum fragst du?«
    »Weil es mir lieber wäre, wenn du dorthin zurückkehren würdest«, antwortete er geradeheraus. Er bedauerte die Worte schon, noch bevor er den Satz ganz zu Ende gesprochen hatte. Es war zwar genau das, was er sagen wollte, aber mit falscher Wortwahl und falscher Betonung. Er hatte sich vorgenommen, ruhig zu bleiben, hörte aber in seiner Stimme eine Aggressivität, die er gar nicht empfand.
    »Nach Transsylvanien?«
    »Du kannst nicht hierbleiben, Vera«, sagte Jan, nun wieder erzwungen ruhig. »Ich will nicht undankbar erscheinen, aber ich finde, wir sind allmählich quitt.«
    »Quitt?« Veras Hand kroch ein ganz kleines

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